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Stahl statt Stein

Fast im Verborgenen lässt die Bahn eine historische Brücke ersetzen. Davon wird künftig kaum jemand etwas bemerken.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Stauchitz. Heiß ist es. Sehr heiß. Und staubig. Schatten haben die Männer auf der Baustelle so gut wie keinen. Immerhin: Oben auf dem Bahndamm fühlt es sich fast nach einem kleinen Lüftchen an. Dort können sich die Bauarbeiter unbesorgt aufhalten: Ein Zug wird an dieser Stelle so schnell nicht durchkommen. Denn mittlerweile klafft an dieser Stelle der Bahnstrecke Riesa-Döbeln eine ganz ordentliche Lücke. Bis zum Herbst verkehrt auf diesem Abschnitt nur Schienenersatzverkehr.

Bereitgelegt: Mit schwerer Technik wird jetzt die Gründung für die neue Brücke in den Boden gebohrt.
Bereitgelegt: Mit schwerer Technik wird jetzt die Gründung für die neue Brücke in den Boden gebohrt. © Sebastian Schultz
Verschwunden: Die aus dem 19.Jahrhundert stammende Drei-Bogen-Brücke ist mittlerweile weg.
Verschwunden: Die aus dem 19.Jahrhundert stammende Drei-Bogen-Brücke ist mittlerweile weg. © Matthias Fiebiger
Geschweißt: Solche Röhren aus Baustahl werden später zu unterirdischen Pfählen aus Stahlbeton. Insgesamt 22Stück sollen die neue Brücke an der Bahnstrecke Riesa-Döbeln bei Blochwitz tragen.
Geschweißt: Solche Röhren aus Baustahl werden später zu unterirdischen Pfählen aus Stahlbeton. Insgesamt 22Stück sollen die neue Brücke an der Bahnstrecke Riesa-Döbeln bei Blochwitz tragen. © Sebastian Schultz

Und deshalb bekommt von der Baustelle im Grünen zwischen Bloßwitz und Panitz auch kaum jemand etwas mit. Dort – abgelegen zwischen Maisfeldern, abgeernteten Flächen und einzelnen Baumstreifen – haben die Bagger eine dreibogige Brücke, die wohl aus dem 19. Jahrhundert stammte, in einen großen Haufen Steine verwandelt. Ein Berg wartet auf die Abfuhr, weitere Bruchsteine stabilisieren die Zufahrt zu einem großen, von eingerammten Stahlspundwänden gesäumten Quadrat. Darin steht eine weiß-gelb-blaue Baumaschine auf Ketten, die ein tiefes Loch in die Erde bohrt. „13 Meter wird ein Loch tief, 1,20 Meter misst es im Durchmesser“, sagt der Bauleiter. Bei einem Loch wird es nicht bleiben: Elf Stück werden es für die neue Brücke werden – pro Seite.

Wo bislang drei aus Steinen gemauerte Bögen waren, wird es künftig nur noch einen einzigen Bogen geben. Dieser eher flache Bogen stützt sich dann rechts und links auf die beiden Widerlager, deren Fundament jetzt gerade vorbereitet wird. Die jeweils elf Löcher werden dann mit Stahl und Beton gefüllt.

Welche Abmessungen das hat, kann man jetzt schon unterhalb vom Bahndamm erkennen. Dort schweißen Männer bei knapp 30 Grad – ohne Schatten – die Bewehrungskörbe aus Stahl zusammen. Stück für Stück werden diese in den Untergrund hinabgelassen. Die geplante Stahlbetonkonstruktion sollte dann für eine Weile halten. „Die nächsten 500 Jahre bestimmt“, scherzt der Bauleiter.

Im September soll die Brücke fertig sein, dann muss auch die Bahnstrecke oben drüber wieder komplettiert werden. Die Bahnreisenden werden künftig wohl kaum einen Unterschied bemerken, wenn ihre Regionalbahn auf der Fahrt von oder nach Döbeln die heutige Baustelle passiert: Von oben ist von der Brücke nämlich rein gar nichts zu sehen. Tatsächlich fährt unten drunter wohl auch kaum jemand durch. „Vielleicht mal ein Landwirt mit dem Mähdrescher“, sagt der Bauleiter.

Wichtig für die Flut

Wichtig ist das Bauwerk trotzdem: Bei Hochwasser soll es sicherstellen, dass das Wasser aus der benachbarten Jahna sich nicht am Bahndamm staut und abfließen kann. Laut Bahn wird außerdem noch an einer Bachbrücke in Stauchitz und an einem Damm und einem Durchlass bei Binnewitz (Gemeinde Ostrau) gebaut. Gleichzeitig werden die Gleise zwischen Ostrau und Seerhausen erneuert.

Deshalb war der Brückenabriss bei Blochwitz auch erst rund 14 Tage nach der Sperrung der Bahnstrecke losgegangen: Als Erstes war die Oberleitung dran, anschließend wurden die Gleise vor und hinter der späteren Brückenbaustelle erneuert – denn dafür mussten noch die Gleisbaumaschinen über das Bauwerk rollen können.

Wie bei Bahnbaustellen üblich, gilt für die Baufirmen ein strikter Zeitrahmen. Deshalb wird an der Brücke täglich bis abends 18/19 Uhr gearbeitet. Auch Sonnabend herrscht keine Ruhe. „Und später – wenn es an die Schalarbeiten geht – wird auch sonntags gearbeitet“, sagt der Bauleiter. Als Haupt-Auftragnehmer ist die Züblin Direktion Brückenbau tätig. Abbruch und Erdbau übernimmt die Strabag aus Meißen. Und für die Gründung der Brücke wurde das Unternehmen Spezialtiefbau Magdeburg engagiert – das in ganz Deutschland auf Bahn-, Straßen- oder sonstigen Großbaustellen Gründungspfähle setzt, Spundwände errichtet, Bohrungen vornimmt.

Die Kollegen dieser Firmen kennen längst den Weg auf die abgelegene Baustelle. Aber den Lieferanten muss man immer wieder erklären, wie man dort eigentlich hinfindet. Die einzigen Menschen, die dann künftig die neue Brücke betrachten können, werden die Nutzer des Jahnatalradwegs sein: Der verläuft üblicherweise parallel zum Bahndamm. Derzeit gilt allerdings eine Umleitung. So sieht kaum jemand, dass die Bauarbeiter planmäßig vorankommen. Immerhin: Weder archäologische Funde noch Fliegerbomben verzögern die Arbeiten: Nach beiden wurde sicherheitshalber vor den Bauarbeiten geschaut – vergeblich.