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Spur der Steine

Das Buch von Andreas Bültemeier aus dem Kreisforstamt in Niesky und seinem Kollegen ist preiswürdig.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Strahwalde. Andreas Bültemeier kann Steine im Wald lesen wie andere Leute ein Geschichtsbuch. Denn der Mann aus dem Herrnhuter Ortsteil Strahwalde hat sich gemeinsam mit seinem Hoyerswerdaer Kollegen und Freund Thomas Sobczyk zum Experten geforscht. „Denkmale in den Oberlausitzer Wäldern“ heißt das Buch, das die beiden vor rund einem Jahr veröffentlicht haben und mit dem sie jüngst Platz 3 beim Sächsischen Landeswettbewerb für Heimatforschung erreichten. Beide arbeiten in Kreisforstämtern – Bültemeier für Görlitz, Sobczyk für Bautzen – und sind deswegen viel im Wald unterwegs. Über Jahre hinweg sammelten beide Informationen, Fotos und Koordinaten – zunächst ohne bestimmtes Ziel. Zudem erhielten sie von Herbert Wilhelmi von der Forstschule Tharandt und vielen weiteren Helfern Material für ihre Arbeit. So ist eine Sammlung von rund 250 Denkmalen für beide Kreise entstanden, mit einem Blick ins Nachbarland.

Oswald-Fünfstück-Gedenkstein, Quitzdorf: Zwei Überlieferungen gibt es: Fünfstück soll 1939 im Sproitzer Steinbruch von einer einstürzenden Wand erschlagen worden oder in plötzlich ansteigendem Grundwasser ertrunken sein.
Oswald-Fünfstück-Gedenkstein, Quitzdorf: Zwei Überlieferungen gibt es: Fünfstück soll 1939 im Sproitzer Steinbruch von einer einstürzenden Wand erschlagen worden oder in plötzlich ansteigendem Grundwasser ertrunken sein. © Bültemeier/Sobczyk/Michael Weber
Schachmannsäule, Königshain: Carl Adolph Gottlob von Schachmann war Erbherr des Rittergutes von Königshain und bei seinen Untertanen beliebt. Er war Mitbegründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften.
Schachmannsäule, Königshain: Carl Adolph Gottlob von Schachmann war Erbherr des Rittergutes von Königshain und bei seinen Untertanen beliebt. Er war Mitbegründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. © Bültemeier/Sobczyk/Michael Weber
Johann Gottlieb Tempels Tod, Jauernick-Buschbach: 1831 verunglückt der Landwirt aus Berzdorf mit seinem Pferdefuhrwerk nach Friedersdorf zur Mühle seines Bruders. Heimatforscher stellten den Stein 1958 auf.
Johann Gottlieb Tempels Tod, Jauernick-Buschbach: 1831 verunglückt der Landwirt aus Berzdorf mit seinem Pferdefuhrwerk nach Friedersdorf zur Mühle seines Bruders. Heimatforscher stellten den Stein 1958 auf. © Bültemeier/Sobczyk/Michael Weber
Liebesdenkmal Görlitz/Kunnerwitz: Rätselhaft ist der Stein mit dem inzwischen stark verwitterten Relief. Gewidmet ist es „dem früh entschlafenen Carl Edmund Schulz“, der mit 20 Jahren 1835 gestorben ist. Es steht nahe der Weinhübler Straße.
Liebesdenkmal Görlitz/Kunnerwitz: Rätselhaft ist der Stein mit dem inzwischen stark verwitterten Relief. Gewidmet ist es „dem früh entschlafenen Carl Edmund Schulz“, der mit 20 Jahren 1835 gestorben ist. Es steht nahe der Weinhübler Straße. © Bültemeier/Sobczyk/Michael Weber
Manfred-Schneider-Gedenkstein, Schönau-Berzdorf: Der 74-Jährige lebt in Deutsch Paulsdorf, und war 42 Jahre Revierleiter von Hagenwerder und war maßgeblich an der Rekultivierung am Berzdorfer See verantwortlich.
Manfred-Schneider-Gedenkstein, Schönau-Berzdorf: Der 74-Jährige lebt in Deutsch Paulsdorf, und war 42 Jahre Revierleiter von Hagenwerder und war maßgeblich an der Rekultivierung am Berzdorfer See verantwortlich. © Bültemeier/Sobczyk/Michael Weber
Fischer-Stein, Niesky, Zeche Moholz: Nahe der Bahnlinie zwischen Falkenberg–Hoyerswerda–Niesky–Wegliniec kam der Fabrikarbeiter Johannes Fischer 1897 ums Leben. Die Umstände ließen sich bislang nicht rekonstruieren.
Fischer-Stein, Niesky, Zeche Moholz: Nahe der Bahnlinie zwischen Falkenberg–Hoyerswerda–Niesky–Wegliniec kam der Fabrikarbeiter Johannes Fischer 1897 ums Leben. Die Umstände ließen sich bislang nicht rekonstruieren. © Bültemeier/Sobczyk/Michael Weber

Dass er sich für die mitunter kaum noch auffindbaren Steine dermaßen begeistern kann, hätte Andreas Bültemeier nie gedacht. „Früher haben mich nur Steine interessiert, auf die man auch klettern kann“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Der Reiz der meist steinernen Denkmale ist dennoch leicht erklärt: Die Suche nach den teilweise im Gehölz untergegangenen Denkmalen ist wie eine Schnitzeljagd: „Manchmal haben wir uns wie ein Schneekönig gefreut, wenn wir das Gesuchte endlich gefunden hatten“, beschreibt Bültemeier das Glücksgefühl. Da musste auch seine Frau Angela Bültemeier, die Betriebsleiterin des Zittauer Stadtforsts ist, Toleranz zeigen: Wanderungen durch das Unterholz und stapelweise Forschungsergebnisse auf dem Küchentisch gehörten phasenweise dazu, erinnert sich der 57-Jährige. Vor allem aber faszinieren ihn die Hintergründe: „Diese Steine erzählen kleine Geschichten, ohne die man die große Geschichte nicht erzählen kann“, sagt er. Dabei sind die Stein-Storys mitnichten dröge: Manche lesen sich wie ein Krimi, manche sind dramatisch, andere strotzen vor Stolz.

Andreas Bültemeier kann da Beispiele aneinanderreihen wie Perlen an eine Kette: Rätselhaft bleiben die Hintergründe des Liebesdenkmals in Kunnerwitz. Wahrhaft einen Meilenstein markiert der Forststein bei Sohland am Rotstein, wo Ende des 17. Jahrhunderts an die erfolgreiche Nadelholz-Saat erinnert wird, die in der Region damals noch selten war. Tragisches erzählt der Gottfried-Kruhl-Stein im Ullersdorfer Forst, der an den Tod eines Wildhüters erinnert. Er wurde von Rotwild aufgegabelt. Der Graf von Fürstenstein nahm sich der Ausbildung seiner Kinder an. Alle Denkmale haben Sobczyk und Bültemeier freilich nicht aufgenommen, sondern bewusst ausgewählt. Ihre Geschichten wollen die beiden mit ihrem Buch – samt Koordinaten und Wanderempfehlungen – für die Zukunft bewahren. Aus der Mode gekommen sind die Denkmale im Wald ohnehin nicht: In dem Buch finden sich auch aktuelle Beispiele. „Das ist einfach drin in den Menschen“, sagt Andreas Bültemeier.