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Springmesser im Rucksack

Ein junger Mann hat viel Mist gebaut. Bisher hatte er immer viel Glück. Diesmal wird er erwischt. Und hat wieder Glück.

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© Sebastian Schultz

Von Paul Jonas Grunze

Meißen. Der junge Mann ist ehrlich: „Ich habe schon viel Mist gebaut in meinem Leben“, sagt er. Dieses Eingeständnis überrascht nicht nur die Richterin. Sein Vorstrafenregister spricht jedenfalls nicht für eine kriminelle Karriere. Nur ein einziges Mal hatte die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt. Und zwar wegen fahrlässiger Brandstiftung. Und das Verfahren wurde auch noch eingestellt. „Ich hatte eben immer Glück, wurde nie erwischt“, gibt er zu. Diesmal wird er aber erwischt, wenn auch eher durch einen Zufall. Er soll sich im April 2016 auf dem Dietrich-Heßmer-Platz in Lauchhammer mit einem Freund getroffen haben. Während einer polizeilichen Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit seines Fahrrades entdecken die Polizisten im Rucksack des jungen Mannes ein Springmesser mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern. Etwas Außergewöhnliches soll es damals gewesen sein, ein Springmesser mit sich herum zu tragen, so der junge Mann. Das ist es in der Tat. Es ist aber auch noch etwas anders: nämlich verboten. Daher legt ihm die Staatsanwaltschaft einen Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last. Doch wieso hier, die Tat geschah doch in Lauchhammer? Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft Cottbus gegen ihn ermittelt, war das Verfahren am Amtsgericht Lauchhammer anhängig. Doch das gab es ab an Meißen. Denn im Jugendstrafrecht gilt das Wohnortprinzip. Das heißt, es wird nicht dort verhandelt, wo die Tat geschah, sondern im Bereich des Gerichtes, in dem der Angeklagte wohnt. Und der wohnt eben jetzt in Meißen. „Ich bin hierher gezogen, um mit meinem bisherigen Leben und den alten Freunden abzuschließen“, sagt der Mann, der keinen Schulabschluss besitzt. Nach zweimaligem Sitzenbleiben hat er die Schule nach der 9. Klasse verlassen. Seit August vorigen Jahres geht er einer Lehre als Koch nach. Dazu besucht er die Berufsschule in Großenhain. Die praktische Ausbildung absolviert er in Meißen.

Hier lebt er seit zwei Jahren in seiner eigenen Wohnung und besitzt nur eine Hand voll Freunde. „Die reichen mir“, so der junge Mann. Wenn er neben seiner Lehre die Zeit findet, fährt er oft mit dem Fahrrad oder besucht seine Eltern. Finanziell kommt der Angeklagte gerade so über die Runden. Neben einem Ausbildungsgehalt und dem Kindergeld, erhält er monatlich weitere 80 Euro von seinem Vater. Ausbildungsbeihilfe hat er nicht beantragt. Dem Jugendamt ist der Angeklagte nicht bekannt, ein Angebot der Jugendgerichtshilfe nimmt er nicht in Anspruch. Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe schlägt vor, für den Angeklagten, der zur Tatzeit gerade 18 Jahre alt geworden war, das Jugendstrafrecht anzuwenden. Sie plädiert für die Einstellung des Verfahrens. Auch die Staatsanwältin stimmt zu, doch ganz trocken soll der Angeklagte nun doch nicht durch den Regen kommen. Deshalb beantragt sie für den jungen Mann 20 Stunden gemeinnützige Arbeit. Da er das Springmesser abgegeben hat - ansonsten wäre es eingezogen worden - und bislang noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wird das Verfahren gegen ihn vorläufig eingestellt. Allerdings muss er der Weisung des Gerichts nachkommen und bis Ende März die beantragten 20 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Macht er das nicht, wird das Verfahren neu aufgerollt. Dann muss er mit einer Verurteilung rechnen. Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Da hat der junge Mann also erneut viel Glück gehabt.