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Sportlicher geht’s nicht

Ob Rudern oder Rugby – die Freitalerin Marion Wolf hat fast alle Disziplinen ausprobiert. Nun ist sie für einen Preis nominiert.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Freital. Als Requisite fürs Foto wählt sie einen Volleyball. Das ist der Sport, dem Marion Wolf am längsten in ihrem Leben verbunden ist. Schon Anfang der Siebzigerjahre baggerte sie den Ball übers Netz, noch heute spielt sie als Seniorensportlerin oder steht als Schiedsrichterin an der Seitenlinie. „Ich brauche Bewegung, ohne geht gar nicht“, sagt Marion Wolf. Dafür könnte es bald eine Auszeichnung geben. Die Freitalerin ist für den Deutschen Engagementpreis nominiert. Stimmen genügend Menschen per Internet für sie ab, könnte sie den mit 10 000 Euro dotierten Preis an die Weißeritz holen. „Das Geld würde ich natürlich spenden, damit sich noch mehr Kinder bewegen können“, sagt sie.

Sport und Bewegung – damit beschäftigt sich Marion Wolf, seit sie fünf Jahre alt war. Damals, 1960, fing sie in ihrem Heimatort Oelsa als Turnerin an. Über Traktor Oelsa kam sie nach Possendorf, später trat sie der Turnerriege von Stahl Freital bei. Doch nur Turnen war für Marion Wolf nicht genug. Schon als Schülerin probierte sie auch die Leichtathletik aus, startete beim Orientierungslauf und im beim touristischen Mehrkampf. „Das war ein Geländelauf mit verschiedenen Stationen, an denen man Aufgaben lösen musste. Zum Beispiel Erste Hilfe, Umgang mit Karte und Kompass, Zelt aufbauen. Wir wurden sogar mehrmals DDR-Meister“, erklärt die heute 63-Jährige.

Zum Volleyball, zunächst bei Stahl Freital, kam Marion Wolf, als sie im Edelstahlwerk eine Berufsausbildung als Instandhaltungsmechaniker mit Abitur machte. Der Traumberuf war es nicht, obwohl sie sich selbst als handwerklichen Typen bezeichnet. „Eigentlich wollte ich Sportarzt werden und mit einer Mannschaft durch die Welt tingeln.“ Das Edelstahlwerk delegierte sie stattdessen kurz nach Ende der Lehre zum Studium nach Berlin. Marion Wolf wurde Sport- und Geografielehrerin. 1979 war sie zurück und trat ihre Stelle in der Berufsschule des Edelstahlwerks an. Als Lehrerin arbeitet sie heute noch, inzwischen im Freitaler Berufsschulzentrum.

Kein Mitleid mit Drückebergern

Dort trifft sie mittlerweile nicht nur auf Kinder oder Enkel ihrer ersten Schüler, sondern auch auf die Generation Smartphone. Die kann zwar flink mit dem Daumen über den Bildschirm eines Handys wischen, wird dafür aber immer unbeweglicher. Sport gilt da allenfalls als lästige Nebenbeschäftigung im Schulalltag. Marion Wolf lässt das natürlich so nicht durchgehen. „Bei mir wird mitgezogen. Ich will zumindest sehen, dass man sich Mühe gibt.“

Gar nicht leiden kann sie Trickser und Drückeberger. Einmal hat sie es erlebt, dass ein Schüler ein Attest vom Arzt vorlegte und damit vom Sportunterricht fürs ganze Schuljahr befreit war. Als derselbe junge Mann im gleichen Schuljahr in einer Zeitung als Meister im Mountainbiking gefeiert wurde und Marion Wolf den Artikel zufällig in die Hände bekam, war sie nicht sonderlich amüsiert. Ähnliches erlebte sie mit einem jungen Mann, der im Turniertanz Deutscher Meister wurde. Auch er hatte zuvor eine Sportbefreiung abgegeben. „Da bin ich zum Arbeitgeber hin und habe mit dem geredet. Keinen Berufsabschluss wegen einer fünf oder sechs in Sport – das ist nicht mal Faulheit, das ist dämlich.“

Drei Tage in der Woche gibt sie Sportunterricht, zwei Tage ist sie freigestellt. Dann arbeitet sie ehrenamtlich für die Bewegung „Jugend trainiert für Olympia“. Marion Wolf bereitet in den verschiedenen Sportarten die Wettkämpfe vor – egal, ob es sich um Fußball handelt oder ums Springreiten. Sie organisiert die Turniere, plant die Wettkämpfe und das Personal, sorgt für die Durchführung.

Damit sie weiß, worauf es ankommt, hat sie im Laufe der vergangenen Jahre überall mal reingeschnuppert. Sie kann reiten und hat Golf gespielt, war beim Tanzen und hat sich im Rugby ausprobiert. Selbstverständlich kann sie Skifahren und saß schon in einem Bob. Gibt es irgendetwas, was sie noch nie gemacht hat? „Da muss ich mal überlegen. Ach ja, Skeleton. Davor habe ich Respekt, das habe ich mich noch nicht getraut.“ Auch das Schachspielen als Sport ist ihr fremd geblieben.

Bis 1992 war Marion Wolf aktive Turnerin. Dann erlitt sie einen Autounfall, brach sich einen Halswirbel an. Ein Jahr lang musste sie kürzer treten. „Das war schlimm.“ Mit dem aktiven Turnen war es vorbei, denn schon die Rolle vorwärts war nicht mehr möglich. Marion Wolf, inzwischen von Oelsa nach Freital umgezogen, machte den Schiedsrichterlehrgang im Volleyball, kniete sich in neue Aufgaben.

Noch heute nimmt sie an Wettkämpfen nicht nur teil, sondern hilft auch ehrenamtlich im Hintergrund. Beim Marathon in Dresden tritt sie mit ihren Schülern als freiwillige Helferin an, ebenso beim Windberglauf. Dafür wiederum kennt sie ganz viele Vereinsfunktionäre und weiß, wen sie anrufen kann, wenn eine Wettkampfstätte für ein Jugendturnier gebraucht wird. Der Sport, sagt sie, der verbindet doch alle. Umso weniger Verständnis hat sie für Menschen, die den ganzen Tag in ihrer Wohnung hocken und deren Kinder deshalb zu wenig Bewegung bekommen. „Wenn ich bei den Grundschulen bin und dort beobachte, was die Kinder können oder nicht können, da wird mir mitunter angst und bange.“ Selbst einfache Bewegungsabläufe, wie über eine Bank balancieren, bereiten manchem Grundschüler enorme Schwierigkeiten. Deshalb will sie das Preisgeld, sollte sie gewinnen, auch spenden. Marion Wolf denkt an ein Projekt mit benachteiligten Kindern. Gerade die, so ihre Erfahrung, hätten in Sachen Sport viel Nachholbedarf.

Die Abstimmung läuft noch bis zum 22. Oktober unter www.deutscher-engagementpreis.de. Dort in der Rubrik Publikumspreis nach Marion Wolf, Sachsen, Bereich Sport suchen. Nach der Anmeldung gibt es eine Mail, sobald diese bestätigt ist, zählt die Stimme.