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Spannung bis zuletzt

Alle fünf Meißner OB-Kandidaten wollen weiter kämpfen. Auch wenn die wenigsten wirklich noch Siegchancen haben.

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© Grafik/SZ

Von Ulf Mallek

Meißen. Etwas gedrückt ist die Stimmung im Lager von Frank Richter schon. Auch wenn der Meißner OB-Kandidat, unterstützt von politisch eher links-grün orientierten Kräften, aus einer für ihn nicht so positiven ausgefallenen SZ-Wahlprognose ein aufbauendes Signal ausgemacht hat: „Rund zwei Drittel der Meißner wollen den Oberbürgermeister Raschke nicht wählen.“ Die Prognose wurde am Dienstagabend zunächst online veröffentlicht.

Das von Richter entdeckte Signal gibt es laut Prognose tatsächlich, wenn das ziemlich große Lager der noch Unentschlossenen mit einbezogen wird. Da aber davon ausgegangen werden kann, dass mindestens ein Viertel der Unentschlossenen am Ende doch Raschke wählen werden, schrumpft das Lager der OB-Ablehner auf geschätzte 60 Prozent. Eine Mehrheit, aber eine sehr heterogene Mehrheit. Sie wird sich vermutlich nicht auf einen einzigen Gegenkandidaten einigen können.

Martin Bahrmann (FDP), der auf Platz drei liegt: „Die zehn Prozent müssen noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Meine Zielgruppe ist eher der Social Media affine, jüngere Teil der Wähler..“ Tatsächlich ist diese Gruppe in der SZ-Wahlprognose unterrepräsentiert, weil ihr Angehörige nicht typische Zeitungsleser sind.

Auch Joachim Michael Keiler von der AfD rechnet noch mit Stimmenzuwächsen. „Meine 2,5 Prozent decken sich nicht mit dem Feedback, das wir an unseren Wahlständen von den Bürgern Meißens erhalten“, sagt er. Aber immerhin, ein Wahlziel sieht die AfD mit der Prognose bereits als erfüllt an. Keiler: „Das rot-grüne Bündnis wird sich nicht durchsetzen. Das ist doch eine sehr positive Botschaft.“ Keiler war es von vornherein klar, dass er als Bayer einen schweren Stand in Meißen haben wird. Doch werde er seinen Wahlkampf fortführen und auf Stimmenzuwachs aus der Gruppe der Unentschlossenen hoffen.Heiko Lorenz von der Sächsischen Volkspartei sieht trotz der schlechten Prognose ebenfalls eines seiner Wahlziele erfüllt. „Meine Partei, die SVP, wurde im Wahlkampf nicht als Nazi-Partei wahrgenommen, sondern als eine Partei, die sich um die kleinen Leute kümmert“, sagt Lorenz. „Dahin will ich auch mit der Meißner SVP, als eine Partei rechts von der Mitte.“ Lorenz rechnete ebenfalls nicht damit, in Meißen Oberbürgermeister zu werden. Falls doch, hätte er seine Baufirma verkauft und sich voll dem neuen Job gewidmet. Lorenz: „Vielleicht schaffe ich es ja noch auf Platz drei oder vier.“

Etwas wortkarg verhielt sich am Mittwoch der klare Prognose-Sieger Olaf Raschke. Er erhielt in den letzten Tagen Unterstützung eines politischen Schwergewichts. Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière reiste an und half dem Amtsinhaber, der als Parteiloser für die CDU ins Rennen geht. Sein Kommentar: „Lasst uns am Sonntag über Ergebnisse sprechen.“

Tatsächlich kann es bis dahin noch Verschiebungen geben. Die SZ-Prognose gründet sich zwar auf den Antworten von 660 Befragten, was rein quantitativ repräsentativ wäre. Doch Meißner SZ-Leser können nicht einfach mit den normalen Meißner Bürgern gleichgesetzt werden. Zudem gibt es Unterschiede in der Verteilung von Alter, Bildung und Haushaltseinkommen. Dennoch ist Marktforscherin Dr. Anja Franck (Agentur Lotsenboot) von der korrekten Wiedergabe des Trends in Meißen überzeugt. Abweichungen werde es geben, möglicherweise zugunsten von Frank Richter durch mehr junge Meißner und der AfD aus den Reihen der Unentschlossenen.

Eine ganz andere Erklärung für das schwache Abschneiden der AfD hat Walter Hannot von der Bürgerinitiative „Meißen kann mehr“, die Frank Richter unterstützt: „Viele AfD-Wähler werden sich gleich jetzt für Raschke ausgesprochen haben und nicht erst bei der Neuwahl.“

Am frühen Sonntagabend steht das Wahlergebnis fest. Erreicht keiner der Kandidaten über 50 Prozent der Stimmen, wird in zwei Wochen noch einmal gewählt. Dafür hat der FDP-Kandidat Martin Bahrmann eine Hoffnung. Sein Plauener Parteifreund Ralf Oberdorfer trat im Jahr 2000 auf Platz vier liegend im zweiten Wahlgang der OB-Wahl noch mal an. Und gewann. Er ist bis heute Oberbürgermeister von Plauen. Also: Spannung bis zuletzt.