Merken

Späte Kritik am neuen Sportlerheim

Der Bau des Gebäudes ist beschlossen. Kurz vorm ersten Spatenstich gibt es ungewöhnlichen Protest.

Teilen
Folgen
© Fabian Onneken

Von Eric Weser

Wülknitz. Den Tagungstisch im Lokalparlament verlassen Gemeinderäte meist nur, wenn sie befangen sind. In Wülknitz hat Jens Kraze (CDU) sich zuletzt mehrmals abseits gesetzt – obwohl er gar nicht befangen war. Kraze wollte bei Auftragsvergaben für den Bau des neuen Wülknitzer Sportlerheims nicht mit abstimmen.

Die ungewöhnliche Aktion ist sein einsamer Protest gegen die Wülknitzer Großinvestition. Mehr als eine Million Euro will die kleine Gemeinde dafür im nächsten Jahr für das Gebäude am Sportplatz ausgeben. Auf SZ-Nachfrage erklärt Kraze, dass sich Wülknitz aus seiner Sicht mit dem Vorhaben überhebt. Nur mit einer „sehr, sehr positiven Auslegung der Zahlen und Fakten“ habe die Gemeindeleitung Ratsmehrheit und die Rechtsaufsicht beim Kreis von dem Projekt überzeugen können.

„Palliative Begleitung“

Jens Kraze hielte das Geld für das Sportlerheim woanders für besser aufgehoben. Er verweist auf den nach seiner Meinung schlecht ausgerüsteten Gemeinde-Bauhof, baufällige Gemeindeimmobilien wie auf der Mühlberger Straße in Lichtensee. Oder die Situation der Tiefenauer Feuerwehr, deren Fahrzeug als untragbar gilt und deren Gerätehaus-Situation langfristig unklar sei.

Mehr als eine Million Euro

Das Sportlerheim am Wülknitzer Sportplatz soll voraussichtlich bis Herbst 2018 entstehen.

Unterm Dach des Flachbaus wird es eine wettkampftaugliche Kegelbahn sowie Umkleiden für Kegler und Fußballer geben.

Finanziert wird das geschätzt rund 1,1Millionen Euro teure Vorhaben zur Hälfte über Fördergeld vom Land, einen 300000-Euro-Kredit sowie Mittel aus der Gemeindekasse. (SZ)

1 / 3

Ferner kritisiert Kraze, dass die Sportlerheim-Investition in keinem Verhältnis zu Größe und Bedeutung des Wülknitzer Sportvereins stehe. Er spricht vom Sportlerheim als „palliativer Begleitung“ für den Verein und findet, dass der Club so „künstlich am Leben erhalten“ werde. Kraze verweist auf Auflösungserscheinungen im Verein, geringe Mannschaftsgrößen, Nachwuchsmangel. Es gebe nur wenige aktive Sportler, die das Gebäude künftig nutzen. Viele davon kämen gar nicht aus der Gemeinde. Dafür das Geld aller auszugeben, das wolle er nicht unterstützen.

Für Krazes abweichende Meinung zeigen Ratskollegen zwar Verständnis. Der Weggang vom Abstimmungstisch stößt aber auf Unverständnis. Mit Nein zu stimmen oder sich zu enthalten, das seien doch eigentlich genug Stimmmöglichkeiten, heißt es. Kraze „dicksche“, meint ein Rat.

Auch in der Sache erntet Kraze einigen Widerspruch. Mirko Pöll (Ortsverein Heinricus) etwa glaubt nicht, dass sich die Gemeinde mit dem Sportlerheim überhebt. Andeas Röhrborn (FDP) ist etwas vorsichtiger, spricht von einem „ehrgeizigen Projekt“, zu dem auch der Sportverein seinen Beitrag leisten müsse. Röhrborn macht keinen Hehl daraus, dass er das Projekt anfangs kritischer gesehen hat. Er habe seine Meinung aber geändert. Man könne solche Vorhaben nicht an wirtschaftlichen Maßstäben allein messen. Es gehe auch darum, den Ort lebenswert zu halten.

„Es braucht offensiven Optimismus“

Auch Mirko Pöll setzt auf eine Signalwirkung des Sportlerheims – sowohl für das Wülknitzer Ortsbild als auch für den Sportverein. Jens Krazes Diagnose, dass der Klub stirbt, teilt Pöll nicht. Zwar habe sich das Altherren-Fußballteam dieser Tage aufgelöst und auch beim Fußballnachwuchs sei ein Trainer ausgeschieden. Aber es stünden schon neue Leute bereit, die sich engagieren wollen. „Die Dinge sind im Wandel“, meint Pöll. Manuela Albrecht setzt ihre Hoffnung für eine Zukunft des neuen Sportlerheims in die vielen Kinder, die gerade in der Gemeinde nachwachsen.

Ähnlich sieht es der wohl wichtigste Befürworter des Projekts: Bürgermeister Hannes Clauß (parteilos). Natürlich sei das Sportlerheim eine Wette auf die Zukunft, sagt er. Und natürlich sei der Ausgang ungewiss. Er sehe die Aufgabe von Kommunalpolitik aber darin, „offensiv Optimismus zu verbreiten“, so Clauß. Zumal es in den vergangenen Jahren viele Schließungen und Abrisse gegeben habe – vom Jugendklub bis zur Schule. Mit dem Sportlerheim werde nun auch wieder etwas für die Verbesserung der Lebensqualität getan. Geld dafür habe die Gemeinde. „Man muss daraus aber auch etwas machen.“ Dass die Gemeinde das nicht erst mit dem Sportlerheim tut, sehe man am Gasthof Lichtensee. In den ortsprägenden Bau sei investiert worden – auch trotz geringer Nutzung.

Verwundert zeigen sich viele Ratskollegen über den Zeitpunkt von Jens Krazes scharfer Kritik. Schließlich sei das Projekt seit 2015 stetig in der öffentlichen Diskussion gewesen. Ein Punkt, den auch Jens Kraze nicht völlig widerspricht. Wenngleich seiner Meinung nach viele Strippen in Hintergrundgremien gezogen wurden. Das wiederum sehen viele Ratskollegen anders.

Am baldigen Baubeginn des neuen Sportlerheims wird die Debatte nichts mehr ändern. Die ersten Bauaufträge sind vergeben. Anfang 2018 dürften die Arbeiten am Sportplatz starten. Auch Jens Kraze ist bewusst, dass die Dinge nicht mehr umkehrbar sind. Er hoffe, dass die Kosten im Rahmen bleiben und sich die mit dem Projekt verbundenen positiven Hoffnungen erfüllen. Er bleibe aber skeptisch.