Merken

Sorge um Arbeitsplätze

In Niesky sind viele Firmen Zulieferer und Dienstleister des Waggonbaus. Sie müssen trotzdem klarkommen.

Teilen
Folgen
© André Schulze

Von Carla Mattern

Niesky. Am Waggonbau 14 heißt die Adresse der Firma U. Kurz Elektroanlagen. Direkt am Eingang zum Waggonbau liegen das Verwaltungsgebäude und die drei Hallen. Über 50 Mitarbeiter beschäftigt Uwe Kurz in seiner Firma. Bis Jahresbeginn auch einen Teil davon in mehreren Schichten: Die Elektriker waren für Reparaturen im Nieskyer Waggonbau zuständig. Seit der Information über den Insolvenzantrag für die Waggonbau Niesky GmbH ist damit nur noch ein Mann beschäftigt. Kündigungen hat Uwe Kurz trotzdem nicht geschrieben. „Ich will niemanden entlassen“, sagt der Nieder Seifersdorfer, der die Firma kurz nach der Wende gegründet hatte.

Etwa 15 Prozent des Umsatzes hat die Firma U. Kurz bisher über den Nieskyer Waggonbau erzielt. Für Schienenfahrzeugbauer wie Siemens, Bombardier, Stadler arbeiten die Nieskyer Spezialisten. Sie haben beispielsweise ihren Anteil an einem Hochgeschwindigkeitszug, den Siemens für China gebaut hat, sind momentan dabei, einen Auftrag für Bombardier für Israel abzuarbeiten. „Beispielsweise bei Bombardier gibt es nicht nur Aufträge für die Werke in Bautzen oder Görlitz, sondern auch für die in Mannheim, Kassel oder Hennigsdorf“, sagt Uwe Kurz. Mitarbeiter seiner Firma sind europaweit unterwegs, etwa bei der Inbetriebsetzung von Hochgeschwindigkeitszügen und Regionalzügen, wickeln Gewährleistungsarbeiten ab, übernehmen sogenannte Retrofit-Maßnahmen. Dabei ertüchtigen sie Züge, indem sie neue Software aufspielen.

Der Nieskyer Waggonbau war bisher einer der wenigen regionalen Partner, sagt Uwe Kurz. „Das ist für uns das Schlimme, wenn die Betriebe aus der Region verschwinden. Um das zu kompensieren, sind wir gezwungen, verstärkt auf Montage zu fahren“, so der Unternehmer. Zu 80 Prozent leben die Mitarbeiter in Niesky und der Umgebung. Der Firmensitz und das Büro sind in Niesky, die Stadt erhält Gewerbesteuer.

So ist es auch bei der Firma mit der Adresse Am Waggonbau 7. Die Firma Rummler GmbH ist genauso nicht nur in der Nachbarschaft des Waggonbaus angesiedelt. Die etwa 20 Mitarbeiter haben dafür gesorgt, dass im Waggonbau Hallentore und Krananlagen gewartet und überholt wurden, haben Maschinen repariert und Vorrichtungen gebaut. Jetzt sind alle Arbeiten für den Waggonbau eingestellt. Anfang dieser Woche saß Andreas Rummler mit anderen Firmenchefs auf Einladung des Unternehmerverbands Niederschlesien zusammen und sie sprachen natürlich auch über die Insolvenz und ihre Folgen. „Mit vielen habe ich mich schon unterhalten, die auch betroffen sind“, sagt Andreas Rummler. So eine Insolvenzankündigung ohne jede Vorwarnung sorgt dafür, dass in vielen Firmen Arbeitsaufträge wegbrechen. „Wir wissen alle nicht, wie das beim Waggonbau ausgehen wird“, sagt der Nieskyer und ergänzt: „Wenn der Waggonbau nicht mehr auf die Beine kommen sollte, dann sind auch Arbeitsplätze in Gefahr“. Dass die Firma Rummler GmbH als Gläubiger aus der Insolvenzmasse die offenen Rechnungen beglichen bekommt, damit rechnet der Nieskyer nicht. „Da habe ich keine großen Erwartungen. Ich muss mich um die Zukunft kümmern. Jammern hilft da nicht“, sagt er. Die Rummler GmbH sei aber von jeher breiter aufgestellt. Aus den Erfahrungen der letzten 25 Jahre sei das Augenmerk eben immer nur auf die Großen gerichtet, so der Firmenchef. „Auch wenn wir über Jahre Arbeitsplätze geschaffen und zum Wohle der Region beigetragen haben.“

Betroffen von der Waggonbau-Insolvenz ist auch die Nieskyer Firma Steinborn GmbH, wie Geschäftsführerin Ulrike Roschk bestätigt. Gut sichtbar fahren in der Schweiz auf Postwaggons aus dem Waggonbau in mehreren Sprachen Beschriftungen von der Firma Steinborn herum. Es ist bereits das zweite Mal bei einer Waggonbau-Insolvenz, dass mit großer Wahrscheinlichkeit von Steinborn-Mitarbeitern erledigte Aufträge weitgehend unbezahlt bleiben.

Das hat auch das Nieskyer Unternehmen BMN Stahl- und Anlagenbau GmbH bereits erlebt. Bei der Insolvenz vor zehn Jahren hatte das Nieskyer Unternehmen sogenannte Mittenportale für Waggons gefertigt - und 110 000 Euro eingebüßt. „Das hatte uns als kleinen Betrieb mit 17 Mitarbeitern schwer getroffen“, sagt BMN-Geschäftsführerin Silvia Hoffmann. Sie ist froh, dass sie dieses Mal nichts einbüßen werden, weil gerade nichts für den Waggonbau gefertigt wurde. Dafür musste BMN erst im vergangenen Jahr 70000 Euro entgangene Einnahmen aus der Insolvenz einer Chemnitzer Firma verschmerzen. „So etwas ist überhaupt nicht einfach“, so Silvia Hoffmann.

Davon kann auch Helmut Goltz ein Lied singen. Der Görlitzer ist Inhaber der 1836 gegründeten Görlitzer Hanf- und Drahtseilerei, die Hebezeuge in der Firma prüft, wartet, repariert und Seile für Waggongs liefert. Zwischen fünf bis sieben Prozent des Umsatzes bei über 1000 Kunden macht der Waggonbau Niesky aus. „Das tut immer weh, denn das Geld fehlt in der Kasse“, so der Firmenchef. Aber auch moralisch fühlt er sich betroffen, denn es passiert mit den Nieskyern bereits zum zweiten Mal.

Trotzdem hoffen die Zulieferer und Dienstleister auf einen guten Ausgang.„Ich drücke der WBN GmbH beide Daumen, dass sich ein seriöser Investor findet, der ein Fortbestehen des traditionsreichen Unternehmens garantiert, verbunden mit der Absicherung der Arbeitsplätze für die Mitarbeiter. Mögen die Waggons „Made in Niesky“ auch zukünftig auf den Schienenwegen in Europa verkehren“, wünscht Uwe Kurz den Nieskyer Waggonbauern.