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So steht es um unsere Vogelwelt

Eine Zählung zeigt: Der Artenreichtum ist groß – nicht nur in der Gohrischheide. Doch es gibt auch tote Flecken.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Der Arbeitsaufwand war gewaltig: Zwei Jahre lang haben Vogelschützer von Pro Natura Elbe-Röder die Brutvogelarten im gesamten Altkreis gezählt. 21 Ornithologen waren auf 402 Quadratkilometern unterwegs. Jeder einzelne Quadrant wurde viermal abgelaufen, davon mindestens einmal nachts. „Im Schnitt haben wir etwa neun Stunden pro Quadratkilometer gebraucht“, sagt Peter Kneis von Pro Natura. Vor 25 Jahren hatten die Naturschützer diese Brutvogelkartierung schon einmal gemacht. In diesem Zeitraum habe sich so viel im Altkreis verändert, dass sie noch einmal zählen wollten, erklärt Peter Kneis. Mittlerweile liegen die Daten vor. Die SZ fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

Verlierer: Das Rebhuhn findet im Altkreis immer weniger Brutplätze.
Verlierer: Das Rebhuhn findet im Altkreis immer weniger Brutplätze. © Stefan Sauer/dpa
Überraschung: Der Bienenfresser wurde erstmals seit 70Jahren wieder als Brutvogel nachgewiesen.
Überraschung: Der Bienenfresser wurde erstmals seit 70Jahren wieder als Brutvogel nachgewiesen. © Sven Ellger
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Hoher Artenreichtum im Altkreis

Die gute Nachricht zuerst: Insgesamt konnten die Ornithologen knapp 170 Vogelarten feststellen, die sich im Altkreis fortpflanzen und brüten. „Das ist relativ viel“, sagt Peter Kneis. Zum Vergleich: Im gesamten Freistaat Sachsen gibt es knapp 200 Vogelarten. Wenn auf einer Fläche, die nur etwa fünf Prozent des Bundeslandes ausmacht mehr als 80 Prozent der Arten vorkommen, „dann zeigt das eigentlich, wie vielfältig unsere Landschaft ist“. Durchschnittlich seien etwa 35 Arten pro Quadrant als Brutvogel nachgewiesen worden.

Eindeutiges Gefälle

Wie stark die einzelnen Landschaftsformen sich wiederum auf die Brutvögel auswirken, zeigen die beiden Karten: Entlang der Flussläufe, Teichgebiete und in der Gohrischheide konnten die Vogelschützer besonders viele verschiedene Vogelarten nachweisen. Als besonders artenreich gelten dabei weniger als fünf Prozent der Fläche. Insgesamt wird von Südwesten nach Nordosten ein Gefälle deutlich, insbesondere, was die Rote-Liste-Arten angeht (rechte Karte). Fünf Quadranten sind regelrecht leer gefegt, zählen nur zwei oder drei Arten.

Das Rebhuhn trifft es besonders hart

Während der ersten Kartierung vor 25 Jahren zählten die Vogelschützer zwischen 150 und 200 Rebhuhnpaare in der Region. Mittlerweile ist der Bestand auf etwas mehr als 50 Paare geschrumpft. „Das Rebhuhn benötigt ganzjährig zu fressen“, erklärt Peter Kneis. Samen, Körner und kleine Insekten gehören zu seiner Nahrung. Die moderne Landwirtschaft sei da ein Problem. Auf vielen Flächen fehlten die Wildkräuter, während überwiegend Mais, Wintergetreide und Raps angebaut werden. „Es bleibt nichts zu fressen auf der Fläche“, sagt Peter Kneis. Auch die Mehl- und Rauchschwalben werden seltener. Hier vermuten die Vogelkundler, dass vor allem die fehlende Tierhaltung ein Problem darstellt. „Früher gab es in jeder Ortschaft Kühe oder Schweine und damit auch Fliegen.“

Spechte profitieren

Während mit dem Rebhuhn eine ehemals typische Art des Altkreises zu verschwinden droht, haben andere einen regelrechten Sprung nach vorn gemacht. So sind mittlerweile etwa 70 Paare des Schwarzspechts nachgewiesen, 1990 waren es noch 50. Peter Kneis liefert eine mögliche Begründung: „Die wenigen Wälder, die wir hier haben, sind älter geworden.“ Spechte, die auf alten Baumbestand angewiesen sind, profitieren davon. Ebenso wie andere Arten. In der Gohrischheide konnte in den 90ern nur ein Paar des scheuen Wiedehopfes nachgewiesen werden, heute sind es mehr als ein Dutzend. Und die Population des unauffälligen Ziegenmelkers hat sich fast vervierfacht. Beide Arten stehen als gefährdet auf der Roten Liste. Die häufigste Art im Altkreis ist übrigens der Hausspatz. Auf 5 000 Paare haben die Naturschützer den Bestand geschätzt, Zählen war hier unmöglich. Überraschend gewesen sei die Zunahme der Amsel-Population auf etwa 3 000 Paare. Zwar verliere der Singvogel in den offenen Landschaften Lebensraum. „Gleichzeitig gibt es aber viele durchgrünte Ortschaften, in die die Amsel ausweichen kann.“

Zwei Arten tauchen erstmals auf

Der exotisch anmutende Bienenfresser war auch in der Vergangenheit schon im Altkreis gesichtet worden. Dass die bunten Vögel auch hier brüten, ist aber lange nicht der Fall gewesen. „In den 70ern war das mal bei Mergendorf der Fall“, sagt Peter Kneis. Auch von einem anderen Vogel waren die Ornithologen etwas überrascht: Die Wasseramsel hat sich im Gebiet des Riesaer Stadtparks angesiedelt. Ein oder zwei Brutpaare sind es wohl. Eigentlich ist die Art eher im Gebirge anzutreffen. „Vielleicht liegt es daran, dass Döllnitz und Jahna bei uns noch ein Stück weit Gebirgsbach-Charakter haben“ vermutet Peter Kneis.