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So kommt das schnelle Internet ins Haus

Überall in Riesa werden gerade Glasfaserkabel verlegt. Die SZ hat eine der ungewöhnlichen Baustellen besucht.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Nein, wir verkaufen nichts. Diese Antwort mussten Tobias Geiß und Marcel Blechschmidt auch schon mal geben. Denn die Männer arbeiten unter einem Sonnenschirm am Straßenrand. Das kann man schon mal mit einem Verkaufsstand für Obst oder Spargel verwechseln. Und auch für Bombenentschärfer wurden die beiden Monteure schon gehalten: Denn die schwarze Muffe von der Form eines etwas zu groß geratenen Feuerlöschers könnte man auch für einen Blindgänger halten.

Gezählt: 96 einzelne Glasfaserkabel stecken in einer Leitung.
Gezählt: 96 einzelne Glasfaserkabel stecken in einer Leitung. © Sebastian Schultz
Geschweißt: Per Spleißgerät werden die Enden elektronisch verbunden.
Geschweißt: Per Spleißgerät werden die Enden elektronisch verbunden. © Sebastian Schultz

Tatsächlich aber brauchen die beiden Mitarbeiter der Coswiger Firma Gebauer an der Langen Straße ähnlich viel Geduld und ruhige Finger. Hier kann zwar nichts explodieren, dafür gibt es aber weit mehr als nur ein schwarzes und ein rotes Kabel, wie man es aus einschlägigen Filmen kennt: In einem üblichen Glasfaserkabel, unauffällig schwarz und nicht viel dicker als ein Daumen, stecken ein knappes Dutzend dünnere gelbe Kabel. Und die wiederum enthalten insgesamt 96 hauchdünne bunte Einzelleitungen. „Farbenblind darf bei uns niemand sein“, sagt Marcel Blechschmidt. Denn die Aufgabe der Männer ist es, jede einzelne Leitung ans richtige Gegenstück zu montieren. Nur dann werden später die Bewohner der angrenzenden Häuser schnelleres Internet haben. Denn die Firma Gebauer ist in Riesa gerade im Auftrag der Deutschen Telekom unterwegs, die insgesamt 11 000 Riesaer Haushalte an die schnelle Datenautobahn bringen will.

„Nach dem Anschluss sind bis zu 100 MBit/s verfügbar“, sagt Kai Gärtner von der Deutschen Telekom. Das könnte durch neue Software bald noch schneller werden – technisch seien in absehbarer Zeit auch 250 MBit/s machbar. Und das, obwohl das Glasfaserkabel an der Langen Straße gar nicht bis in die benachbarten Mehrfamilienhäuser hinein gezogen wird: Vorerst bleiben in Riesa die letzten Meter des Internet-Anschlusses dem Kupferkabel vorbehalten. So spart man sich das Aufgraben, das sonst an jedem einzelnen Haus nötig wäre. „Und die Tiefbauarbeiten sind der eigentliche Kostentreiber“, sagt der Telekom-Regionalmanager. Mit der jetzigen Technologie beschränken sich die Baggerarbeiten in Riesa auf insgesamt 40 Punkte, wo die neu verlegten Glasfaserkabel angeklemmt werden müssen. Denn die Telekom hatte schon in den 90ern in weiser Voraussicht zwischen Vermittlungsstelle und Verteilern flächendeckend Leerrohre verlegt, durch die man jetzt allein in Riesa 17 Kilometer Glasfaserkabel zieht – wobei die Kabel nicht gezogen oder geschoben, sondern mit Druckluft eingeblasen werden.

Teures Werkzeug nötig

Dennoch bleibt die Installation eine Herausforderung, wie sich an der Baustelle Lange Straße – gleich neben dem Lidl an der Ecke Rostocker Straße – zeigt: Auf einem Arbeitstisch haben Tobias Geiß und Marcel Blechschmidt mittlerweile das Glasfaserkabel in seine Bestandteile aufgetrennt. Mit Spezialwerkzeug isolieren sie die einzelnen Kabel ab, sodass unter den farbigen Verkleidungen die eigentliche Datenleitung zum Vorschein kommt: ein blasses Etwas, das kaum dicker wirkt als ein menschliches Haar. Marcel Blechschmidt reicht seinem Kollegen das gewünschte Ende hin. Routiniert legt Tobias Geiß es in einen schwarzen Kasten ein, das sogenannte Spleißgerät. 15 000 bis 30 000 Euro kostet so ein Teil, je nach Ausstattung. Dafür kann es auch einiges: Vollautomatisch bewegen sich Klappen, wird das Kabel perfekt auf sein Gegenstück ausgerichtet. Auf einem kleinen Monitor können die Monteure zigfach vergrößert verfolgen, wie die beiden Enden aneinanderstoßen. Dann ein Lichtbogen – die Enden sind miteinander verschweißt. Sofort wird elektronisch geprüft, ob durch die Verbindung ein zusätzlicher Widerstand entsteht. Passt. Das muss jetzt noch Dutzende Male wiederholt werden, bevor alles sauber aufgerollt in der großen schwarzen Muffe verschwindet.

Gleichzeitig werden die unscheinbaren grauen Verteilerkästen zu Mini-Vermittlungsstellen aufgerüstet, wo das Lichtsignal von der Glasfaser in ein elektrisches Signal umgewandelt wird. Das gelangt dann über die Kupferleitung in die Häuser. „Für Unternehmen bieten wir auch an, Glasfaser bis ins Haus zu verlegen“, sagt Kai Gärtner. Dann sind Geschwindigkeiten bis zu einem Gigabit möglich. „Das reicht beispielsweise auch für ein Stahlwerk“, sagt der Regionalmanager. Ab dem dritten Quartal sollen die ersten Anschlüsse auf dem neuen Stand sein. Wer davon profitieren will, muss einen entsprechenden Vertrag abschließen. Die Telekom verweist auf ihren Shop an der Hauptstraße. Auch andere Anbieter sind möglich – die zahlen dann für die Durchleitung durchs neue Netz.