Merken

Sitzungshaft wird nicht entschädigt

Weil ein Bautzener nicht zum Prozess erschien, schickte ihn der Richter ins Gefängnis. Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt.

Teilen
Folgen
© SZ-Archiv

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Diesmal wird er seinen Termin vor dem Bautzener Amtsgericht wohl nicht wieder versäumen: An diesem Mittwoch muss sich ein 35-Jähriger aus Radibor nun endgültig wegen Nötigung und gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Der Vorfall, um den es geht, liegt schon dreieinhalb Jahre zurück. Die Staatsanwaltschaft schildert ihn in der Anklageschrift so: Am Ostersonnabend 2015, spätabends, soll der Mann unter erheblicher Alkoholeinwirkung in einem Buswartehäuschen drei Jugendliche mit einem Messer und den Worten „Verpisst euch“ bedroht haben. Als der Vater eines der Jugendlichen ihn daraufhin zur Rede stellen wollte, soll er erneut von seinem Messer Gebrauch gemacht und den Vater im Handgemenge am Arm verletzt haben.

Es ist ein Fall, wie ihn die Richter am Bautzener Amtsgericht so oder ähnlich immer wieder auf dem Tisch haben. Und der auch nicht für große Aufmerksamkeit gesorgt hätte, wäre da nicht noch diese andere Geschichte: Die Verhandlung hätte nämlich schon am 1. März letzten Jahres stattfinden sollen. Doch der Angeklagte war nicht erschienen und wurde auch von den Polizisten, die ihn vorführen sollten, in seiner Wohnung nicht angetroffen. Daraufhin hatte der zuständige Richter Dirk Hertle einen Sitzungshaftbefehl erlassen – eine in einer solchen Situation durchaus übliche richterliche Maßnahme.

Unglückliche Umstände

Die Sitzungshaft aber dauerte für den Mann aufgrund verschiedener unglücklicher Umstände viel länger als üblich – fast sechs Monate. Für den Richter hatte das Folgen: Der Anwalt des Angeklagten, Alexander Hübner, hatte ihm unterstellt, er habe mit voller Absicht ein Exempel statuieren wollen. Dirk Hertle hatte das stets zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft Görlitz leitete von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren ein, der Dienstherr, der Präsident des Landgerichts, eine dienstrechtliche Überprüfung. Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Anhaltspunkte für eine bewusste Benachteiligung des Angeklagten hätten sich bisher nicht ergeben.

Aus einer Antwort des Sächsischen Justizministeriums auf eine Kleine Anfrage zu dem Fall geht hervor, dass der Richter von der langen Fortdauer der Sitzungshaft erst am 5. Oktober 2017 informiert worden war, und dass er den Haftbefehl daraufhin noch am selben Tag aufgehoben hat. Da Sitzungshaft eine Strafmaßnahme ist, kann der 35-Jährige trotz der langen Zeit im Gefängnis nicht auf eine Entschädigung hoffen wie sie beispielsweise Untersuchungshäftlingen gewährt wird.