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Sie haben den Bogen raus

Seit 50 Jahren fliegen die Pfeile in Friedewald. Ein Hobby zum Entspannen, für das es fast keine Altersbegrenzung gibt.

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© Norbert Millauer

Von Uta Büttner

Moritzburg. Es ist Mittwochnachmittag, kurz vor 16 Uhr. Waldluft. Ruhe. Zielscheiben. Ein Bogen an der Ziellinie ist aufgebaut. Joachim Schacht, seit 30 Jahren Trainer und Sportwart beim Bogensportclub Friedewald, empfängt mich auf dem Trainingsplatz bei Bad Sonnenland. „Zur Einstimmung auf unser Gespräch habe ich Ihnen mal einen Bogen vorbereitet“, sagt der 66-Jährige. Eine kurze Einweisung, ich spanne den Bogen, ziele. Und dann fliegt der Bogen weit über die Scheibe hinaus ins Nirgendwo. Zweiter Versuch. Der Pfeil landet in der Wiese. Der Dritte ebenso. Aber dann habe ich es einigermaßen raus. Immerhin treffen die Nächsten die Scheibe. „Für einen Anfänger gar nicht so schlecht“, sagt der Chronist des Vereins.

Seit nunmehr 50 Jahren wird in Friedewald der Bogenschießsport betrieben. 1968 als Sektion in der Sportgemeinschaft Friedewald folgte 1994 die Gründung als eigener Verein, dem heutigen BSC Friedewald. Mehrere Wettkämpfe und Veranstaltungen richtete der Verein seither aus, so auch im Jahre 2 000 erstmals die Wettinische Jagd in der Moritzburger Kleinkuppenlandschaft.

Die Bögen zu DDR-Zeiten bestanden aus einfachsten Materialien. So hatten die Friedewalder bei Wettkämpfen kaum eine Chance. Ich hingegen kann gleich als blutiger Anfänger mit einem sogenannten Recurvebogen schießen, der auch bei Olympischen Spielen zum Einsatz kommt. Dann suchen wir gemeinsam die Pfeile. Mir schmerzt schon ein wenig der Arm. Spätestens jetzt weiß ich, dass Bogenschießen etwas mit Sport zu tun hat. Arm- und Rückenmuskulatur sind gefordert, das merke ich. „Bogenschießen verlangt hohes Koordinationsvermögen. Und es schult die psychische Stabilität“, sagt Joachim Schacht. Kein Wunder also, dass viele als Ausgleich zum Alltagsstress auf den Schießplatz kommen. Teilweise ganze Familien.

Mit Bogenschießen kann man in jedem Alter beginnen. So wie eines der neusten Mitglieder, das kürzlich in Rente ging. Auch erst seit zwei Monaten dabei ist Norman. Der 14-Jährige liebt an diesem Sport die Ruhe. „Es gibt keine Hektik“, sagt er. „Norman hat sehr gute Fortschritte gemacht“, meint Joachim Schacht lobend. Und der zwölfjährige Arne, seit Sommer in Friedewald, beschreibt seine neuste Leidenschaft: „Ich habe viele Bücher gelesen, mit Helden, die Bögen hatten. Das hat mich fasziniert.“ Der Jüngste im Verein ist zehn Jahre alt. Beginnen kann man laut Joachim Schacht im Alter von acht Jahren. In Ausnahmefällen bereits mit sieben.

Trotz des früher einfachen Bogenmaterials und des zeitaufwendigen Eigenbaus der Scheiben gelang es einigen Friedewaldern, an DDR-Meisterschaften teilzunehmen. An Medaillen war aber nicht zu denken. Jedoch mit Einzug der D-Mark Anfang der 90er-Jahre konnten richtig gute Bögen erworben werden. Die Ergebnisse wurden immer besser, der Leistungsanspruch höher. Die Sektion wurde größer – und so wurde der eigenständige Verein gegründet. Auch die äußeren Rahmenbedingungen mit dem Wechsel der Trainingsstätte verbesserten sich.

Und so wurde Friedewald 1995 erstmals Sachsenmeister. 1996 gelang der Einzug in die Bundesliga. Bis 2012 konnte der Verein in der höchsten deutschen Liga schießen, dann folgte der Abstieg. Grund: „Die Bundesliga-Mannschaft hatte keinen Nachwuchs mehr bekommen. Und das, obwohl immer wieder Kinder und Jugendliche den Weg zum Verein finden. Doch für Erfolge muss regelmäßig trainiert werden, sagt Joachim Schacht. Aber „die Trainingsbeteiligung des Nachwuchses geht steil nach unten“, bedauert er. Deshalb gelingt es den Trainern nicht mehr, Schützen bis zur Landesliga auszubilden. „Das ist sehr schade“, sagt der Trainer mit der zweithöchsten Lizenz, die man erwerben kann.

Vielleicht zählt der Verein demnächst zumindest ein weiteres neues Mitglied – das wäre dann das 130. Denn genau an diesem Mittwoch kommt Luis zum Schnuppertraining. „Ich suche einen Sport für mich, den ich draußen machen kann“, sagt der Zehnjährige. Trainerin Antje König leitet den Neuling an. Die ersten Pfeile fliegen. Und, hat es Spaß gemacht? „Ja, finde ich gut“, sagt er begeistert.

Informationen und Kontaktdaten auf der Internetseite des Vereins unter www.bsc-friedewald.de