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Semperoper kündigt Erstem Ballettsolisten

Istvan Simon hat seinem Chef Belästigung vorgeworfen. Nun muss er gehen. Das Haus sagt, die Vorwürfe seien haltlos.

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© Mathias Rietschel/AP

Von Bernd Klempnow

Ob Prinz im klassischen „Schwanensee“, ob nobler Herr in neoklassischen Choregrafien oder beeindruckender Interpret von zeitgenössischen Stücken – der ungarische Tänzer Istvan Simon war lange der Ballerino der Semperoper. Doch wird er hier vermutlich nie mehr auftreten. Das Haus hat dem 30-Jährigen jetzt außerordentlich gekündigt. „Das Vertrauensverhältnis ist unwiderruflich zerstört“, sagt am Dienstag der Geschäftsführende Intendant Wolfgang Rothe. Das sei der Schluss nach intensiver Prüfung von Belästigungsvorwürfen des Tänzers gegen einen Ballettmeister. Die Vorwürfe waren im Februar erstmals öffentlich geworden.

Wobei Rothe einräumte, dass der Klagende zu keinerlei Gesprächen mit seinem Haus als auch mit einer um Aufklärung beauftragten, externen Kanzlei bereit gewesen sei. „Das ist das Fatale an dem Fall. Wir können ihn nur vorläufig abschließen. Aber es ist inzwischen so viel Porzellan zerschlagen worden, dass eine weitere Zusammenarbeit unmöglich ist.“ Simon, der sich durch einen Anwalt vertreten lässt, war nicht zu erreichen, sein Anwalt im Urlaub.

Was ist passiert? Nach Darstellung von Ballettdirektor Aaron S. Watkin gibt es seit der vergangenen Spielzeit künstlerisch-technische und athletische Probleme mit Simon. Tänzerinnen würden es ablehnen, mit ihm aufzutreten. Er wirke nicht auf seine Parts fokussiert. Bei Hebefiguren sei er unsicher geworden. Eine Ballerina habe vor der Company berichtet, dass sie auf der Bühne „Angst um ihr Leben gehabt“ habe.

Mit dem Künstler, der seit 2007 dem Ballett der Semperoper angehört und dank der Förderung von Watkin zum Ersten Solisten gereift ist, wurden diese Probleme besprochen. Dann kam eine Vorstellung im September 2017, bei der es beinah zu so einem Unfall gekommen wäre. Simon strauchelte bei einer Hebung. Wieder sprach man miteinander. „Eingangs gab es ein Einsehen beim Tänzer“, so Rothe.

Simon wurde „aus Fürsorgepflicht der Company gegenüber“ zeitweise von den Proben und Vorstellungen freigestellt, klagte dagegen, durfte wieder auftreten und gastieren. Vor Gericht beschuldigte er seinen langjährigen, recht autoritär agierenden Ballettmeister zunächst des aggressiven Auftretens, später vor der Intendanz „verbal sexueller Belästigungen“. Das Haus setzte externe Prüfer zur Klärung der Vorwürfe ein. Doch zweimalige Einladungen zum Gespräch lehnte der Tänzer ab. Der Ballettmeister hingegen widersprach eidesstattlich den Vorwürfen.

Die Semperoper habe so ernsthaft wie möglich die Sachverhalte geprüft, so Rothe: „Was fehlt, sind Informationen und Standards, wie man mit solchen Vorwürfen umgeht.“ Diese wolle man jetzt erarbeiten. An der Kündigung habe kein Weg vorbeigeführt. Da Simon versucht habe, bei Kollegen, Choreografen und Ballettdirektoren auch außerhalb Sachsens Stimmung gegen das Ballett Dresden zu machen, habe er „den Betriebsfrieden nachhaltig gestört“.