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Seid sittsam und begnügt Euch!

Eine herzogliche Verordnung sorgte vor mehr als 470 Jahren auch in der Freitaler Gegend für Ärger.

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© Zeichnung: Siegfried Huth

Von Heinz Fiedler

Freital. Nein, das Leben macht keine rechte Freude mehr, finden die Leute im Weißeritztal und beziehen sich dabei auf die im Sommer anno 1546 von Johann Friedrich II. für das Herzogtum Sachsen erlassene Kleiderordnung. Ein seltsames Gesetzeswerk, nach offizieller Lesart in Kraft gesetzt, um das Volk vor Verschwendungssucht zu bewahren und zur Sparsamkeit anzuhalten. Seit sittsam und begnügt Euch! Eine Begründung, die indes kaum geglaubt wird. Selbst Dörfler mit bescheidener Bildung vermuten, dass das Ganze darauf hinaus läuft, der Hocharistokratie und höfischen Kreisen zu noch mehr Aus- und Ansehen zu verhelfen.

Der Herzog legt eine penible Elle an. Er gliedert seine Untertanen in drei Stände auf. Der erste Stand kommt noch halbwegs gut weg. Ihm gehören u.a. Amtsverwalter, Richter, Ratspersonen, Großkaufleute, Gutsbesitzer von Adel, Münzmeister und Stadtschreiber mit „sampt iren Weibern und unverheirateten Kindern“ an. Stand zwei ist für Küster, Krämer, Handwerker und Dienstboten bestimmt. In der dritten Gruppierung finden sich Tagelöhner, Knechte und Mägde. Jedem Stand ist peinlich genau vorgeschrieben, was man ab 1546 im sächsischen Vaterland zu tragen, zu tun und zu lassen hat. Das nimmt selbst Einfluss auf private Festlichkeiten, Tischsitten und Tanzverhalten.

Verordnungen, die nicht nach dem Geschmack der drei reichsten Familien des Plauenschen Grundes sind. Als vermögende Gutsbesitzer haben die Herren von Gensing, Zeutsch sowie Franziskus von Theler zwar in Zauckerode, Burgk und Potschappel das Sagen, doch ansonsten müssen sie die für den ersten Stand festgelegten Bestimmungen respektieren. Das trifft vor allem von Theler hart. Der mächtige Mann von Potschappel hat eine ausgeprägte Neigung für auffällige modische Bekleidung. Doch damit ist nun Schluss. Er darf zwar zwei von Marderfellen verbrämte Röcke sein eigen nennen – zu wenig für den eitlen Landmann. Heimlich legt er sich weitere Stücke zu, was dem Hof nicht verborgen bleibt. Theler wird 50 Taler Bußgeld zahlen.

Rache mit Riesentischen

Der Potschappler wird dem Herzog ein Schnippchen schlagen. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben dürfen die Herrschaften des ersten Standes bei Familienfeiern in ihren vier Wänden lediglich sechs Gästetische aufstellen. Da man jedoch vergessen hatte, die Maße der Tische festzulegen, macht sich Herr von Theler die Gesetzeslücke zunutze. Er gibt beim örtlichen Schreinermeister ein halbes Dutzend Riesentische für seinen Speisesaal in Auftrag. Platz genug für hundert Gäste, die sich zur Neujahrsfeier über die Schlitzohrigkeit des Gutsherrn köstlich amüsieren.

Die modischen Sehnsüchte der Damen zwängt die Verordnung in ein enges Korsett. Schleier zum Beispiel dürfen nur von Frauen des ersten und zweiten Standes getragen werden. Die Gürtelfrage lässt der Herzog derart regeln, dass den Damen des obersten Ranges ein mit Silber beschlagener Gürtel nicht teurer als sieben Gulden zusteht. Für Frauen der zweiten Gruppe darf der Gürtel nicht teurer als fünf Gulden sein. Das schöne Geschlecht des untersten Standes hat sich mit einem Exemplar aus Leinen, allenfalls mit Messingspange, zu begnügen.

Verpönt sind dünne Gewandstoffe, die Formen und Reize des weiblichen Körpers durchschimmern lassen. Brüste sind gänzlich bedeckt zu halten. Auf Tanzböden in Potschappel, Deuben und im Poisen postieren sich für gewöhnlich Aufpasser, die sofort Strafgelder kassieren können. Zum Beispiel fünf Gulden wegen unzüchtiger Bekleidung, für Jungfrauen viel Geld, das die Ärmsten oft genug nicht sofort bezahlen können.

Auf bürgerlichen Hochzeiten und Verlöbnissen dürfen ungeladene Frauen und Jungfern nicht mit geladenen Gästen tanzen. Ist das Abendbrot eingenommen, hat jeglicher Tanz zu unterbleiben. Über die Art zu tanzen, heißt es in der Verordnung: „Das Verdrehen und Abstoßen ist bei ,Tentzen’ verboten. Unbemittelte Personen wie Studenten und Hofgesinde können bei Nichtzahlung eines Bußgeldes der Stadt oder des Dorfes verwiesen bzw. im Schuldturm festgesetzt werden.“

Nichts Französisches

Der Unmut in weiten Kreisen der Bevölkerung sorgt dafür, dass die herzogliche Verordnung nicht das ewige Leben hat. In aller Stille trägt man sie 1551 zu Grabe, um sie zur allgemeinen Überraschung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in unserer Gegend vorübergehend wieder aufleben zu lassen und das für Frauen in noch schärferer Form. 1728 legt der Sächsische Hof Weibspersonen ans Herz, sich ehrbar und landesanständig zu bekleiden. Zu lassen ist das Anziehen aus Zeug von Musselinen, gleich ob geblümt oder gestrichelt. Generell untersagt sind alle Ober- und Unterteile französischer Macharten.

Nicht auszudenken, wenn diese Mode eines Tages wieder Mode werden sollte.