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Secondhand-Laden schließt

Die Inhaberin konnte sich mit ihrer Geschäftsidee nicht durchsetzen. Sie ist trotzdem froh, es versucht zu haben.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Am Monatsende ist einfach zu wenig übrig geblieben. Das ist der simple Grund, warum Heike Thieme ihr „Wunderland“ an der Bahnhofstraße in der kommenden Woche schließt. Derzeit findet der Ausverkauf statt. Dabei seien die Kunden bis aus Oschatz und Elsterwerda gekommen. „Aber die Riesaer brauchen so einen Laden offenbar nicht. In Leipzig oder Dresden wäre das Konzept sicher aufgegangen“, sagt Thieme. In Riesa habe sie den Eindruck, dass sich manche Leute schämen, Waren aus zweiter Hand zu kaufen. „Die kommen gar nicht oder so, dass sie ja nicht gesehen werden.“ Vor nicht einmal zwei Jahren hatte der Secondhand-Laden eröffnet – und Farbe auf den Abschnitt der Bahnhofstraße zwischen Riesenhügel und dem Mühlenviertel gebracht. Verbittert ist die gebürtige Zaußwitzerin über die Geschäftsaufgabe nicht. „Es ist zwar schade, aber ich bereue nicht, es versucht zu haben. Ganz im Gegenteil. Wenn ich es nicht versucht hätte, dann hätte ich mich wahrscheinlich bis heute geärgert.“ Außerdem habe sie tolle Leute kennengelernt und neue Freundschaften geschlossen.

An Waren hat es der Geschäftsfrau jedenfalls nicht gemangelt – ganz im Gegenteil. „Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Mit den Sachen, die die Leute zu viel im Schrank haben, könnte ich ganze Hallen füllen.“ Wäre da nicht der ganze finanzielle Aufwand im Hintergrund: Miete, Nebenkosten, Versicherungen, Gema-Gebühr, um im Laden Musik spielen zu können, und natürlich der Anteil des Verkaufspreises für die Besitzer der Waren. Denn Heike Thieme hat Kinderpullis, Babywagen und Damenoberteile auf Kommission verkauft.

„Anfangs habe ich 40 Prozent des Verkaufspreises behalten. Aber das war zu wenig, am Ende waren es 50 Prozent.“ Mit jedem einzelnen Verkäufer hat Thieme einen Vertrag gemacht – und an jeden einzelnen Artikel ein Preisschild gehängt. Anfangs sechs, später drei Monate nach der Abgabe wurde die Ware im Wunderland zum Verkauf angeboten. Alles, was innerhalb dieses Zeitraums nicht über die Ladentheke ging, mussten die Leute wieder abholen – allerdings hätten sich dabei nicht immer alle an die Regeln gehalten.

„Da musste man sich auch mal streiten können“, erklärt Heike Thieme selbstbewusst. Sie macht nicht den Eindruck, als ließe sich so leicht aus der Fassung bringen. „Manche Sachen habe ich auch länger aufbewahrt. Andere habe ich dann nach Ablauf der Frist an gemeinnützige Einrichtungen gegeben, ans Kinderheim Strehla, ans Riemix und die Herrenkleidung ans Obdachlosenheim.“ Während die Mehrheit der Kunden damit einverstanden war, haben andere Kunden mit Unverständnis reagiert – obwohl die Regelung im Vertrag festgeschrieben war.

In Sachen Miete ist ihr der Vermieter, die WGR, anfangs entgegengekommen. „Die bieten Existenzgründermietverträge an. Das ist wirklich super.“ Mit den rund 400 Euro Miete, die nach Ablauf des ersten Jahres monatlich fällig wurden, ging es dann aber eben doch nicht. Aus Sicht von WGR-Chef Roland Ledwa fehlt dem Standort im Vergleich zum vorderen Boulevard die Laufkundschaft.

Doch er sieht auch klare Vorteile: „Alles in allem ist der Standort günstig, da er mitten im dicht besiedelten Wohngebiet liegt, eine Anfahrtzone hat und es in direkter Umgebung ausreichend Parkmöglichkeiten gibt.“ Schwierigkeiten, einen Nachmieter zu finden, sieht Ledwa nicht: „Für kleinere Gewerbeflächen sehen wir keine Vermietungsschwierigkeiten, da er sich für eine Vielzahl von Klein-Gewerbebetrieben eignet. Aus unserer Sicht bieten sich Gewerbe an, die von der Größe des Wohngebietes profitieren: eine kleine Bäckerei, Büros oder sonstige stille Gewerbe.“ Die Nachbarschaft des Wunderlandes ist vor allem von Dienstleistern geprägt. Eingemietet sind dort etwa die Volkssolidarität, ein Friseur, eine Physiotherapie-Praxis.

Und was wird aus Heike Thieme? Gearbeitet hat sie schon in vielen Branchen: im Verkauf, in der Gastronomie, in der Landwirtschaft. Gelernt hat sie noch zu DDR-Zeiten Agrotechnik. Jetzt möchte sie lieber wieder als Angestellte arbeiten. „Das Thema Selbstständigkeit hat sich für mich erst mal erledigt“, sagt sie und lacht.