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Familie verhaftet und abgeschoben

Um 5 Uhr steht die Polizei vor der Tür. Am Nachmittag saß die Familie schon im Flieger nach Georgien. Die Kinder durften nicht mal Spielzeug mitnehmen. Freunde und Bekannte sind entsetzt.

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© Symbolfoto: dpa

Von Jens Hoyer

Döbeln. Die Polizei klingelte morgens um 5 Uhr an der Tür einer georgischen Familie an der Friedrichstraße. Sie holten die Eltern, 38 und 39 Jahre alt, und die vier Kindern von vier bis zehn Jahren aus den Betten. Vom Polizeirevier Döbeln aus wurden die Sechs nach stundenlangem Warten zum Flughafen Leipzig gebracht. Am frühen Nachmittag hob der Flieger in Richtung Georgien ab.

Freunde und Bekannte sind entsetzt. Denn die Familie ist das, was man als voll integriert bezeichnet. Die Frau hätte eigentlich am Abend ihre Arbeit in der Spätschicht bei der Firma Partzsch antreten müssen. Der Mann hatte seit voriger Woche eine Arbeitserlaubnis und hätte jetzt seinen ersten Arbeitstag, sagte ein Freund der Familie.

Der Vater habe ihn am Morgen über die Abschiebung informiert. „Ich bin gleich in die Wohnung gefahren“, sagte der Freund, der seinen Namen aus dienstlichen Gründen nicht nennen will. Er sei der Familie noch auf den Flughafen gefolgt. „Ich wollte Spielzeug für die Kinder übergeben. Aber die Mitarbeiter der zentralen Abschiebebehörde haben das verhindert.“ Er habe auch Kontakt mit dem Büro des Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth aufgenommen, aber nichts erreichen können.

Die Menschen, die die Familie kannten, sind fassungslos. Jens Wetzig, Nachwuchstrainer bei den Judokas des Döbelner SC, hat die Familie am Morgen im Polizeirevier besucht. „Die Familie war sehr niedergeschlagen und die Kinder sehr traurig. Der Vater machte einen gefassten Eindruck“, sagte Wetzig. Die Mädchen Anastasia, zehn Jahre alt, und Barbare, neun Jahre alt, seien sehr gute Sportlerinnen. „Die beiden haben dem Verein große Erfolge beschert, und der Vater hat sich sehr dafür engagiert“, sagte Wetzig. Er ist verbittert über das Vorgehen der Abschiebebehörde. „Die müssen jetzt Zahlen vorweisen. Die Familie war für sie greifbar. Andere kriegen sie nicht so leicht.“

Seit vier Jahren hatten die Georgier in Deutschland gelebt. Die Chancen auf Asyl sind aber minimal. Es hatte intensive Bemühungen gegeben, die Abschiebung zu verhindern. Im Verein gab es eine Unterschriftensammlung, sagte Jens Wetzig. „Das interessierte aber alles nicht.“ Und auch Heidemarie Egerer, Leiterin der Kunzemannschule, hatte eine wohlwollende Stellungnahme abgegeben. Die drei Mädchen besuchten die Schule. „Die Familie ist sehr bildungsinteressiert. Die Mädchen sind fleißig und erfolgreich. Sie haben auch die Musikschule besucht“, sagte Heidemarie Egerer. „Wir sind alle sehr betroffen, dass die Familie jetzt doch abgeschoben wurde. Für die Kinder ist das eine traumatisierende Situation.“