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Schulrektor nahm sich das Leben

Im Museum hängt ein Gemälde, das ein Geschenk an Walter Hänsel war. Warum tötete er sich 1945 freiwillig?

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© Kristin Richter

Von Kai-Uwe Schwokowski

Großenhain. Im Museum Alte Lateinschule wird derzeit ein Aquarell des Großenhainer Kunstmalers Kurt Globig ausgestellt, das das heutige Gymnasium im Jahr 1944 zeigt. Es war ein Geschenk an den Rektor der Pestalozzischule Walter Hänsel. Da Rektor Hänsel ein führender Vertreter des Nationalsozialismus in Großenhain war, soll sein Lebensweg und freiwilliges Ende hier kurz beleuchtet werden.

Rudolf Max Walter Hänsel wurde am 16. August 1901 in Zehista bei Pirna unehelich geboren. Sein Vater, der Postbote Karl Hänsel, heiratete die Mutter Selma Göhler am 23. April 1904 und erkannte damit die Vaterschaft an. Nach der Volksschule besuchte Walter Hänsel das Lehrerseminar in Dresden-Plauen, welches er 1922 abschloss. 1924 war er Hilfslehrer in der Volksschule in Nauwalde und 1928 personalständiger Lehrer in Reinersdorf.

Zum 4. August 1931 wurde Walter Hänsel als ständiger Lehrer in der Volksschule in Zschaiten angestellt. Seine Versetzung an die Pestalozzi-Volksschule nach Großenhain erfolgte am 5. Juli 1935. Am 9. August 1935 wurde er durch den Bezirksschulrat Dr. Robert Trögel im Beisein des Bürgermeisters Dr. Rudolf Bernhard und der Lehrerschaft als kommissarischer Schulleiter der Volksschule Großenhain eingewiesen. Zum 1. März 1936 erfolgte seine Ernennung zum Rektor. Am 17. Januar 1944 wurde ihm aufgrund seiner schweren Zuckerkrankheit eine verminderte Dienstfähigkeit mit einer Unterrichtszeit von 20 Wochenstunden zugebilligt.

Walter Hänsel war ein überzeugter Nationalsozialist und achtete streng auf die Durchführung der wöchentlichen Fahnenappelle auf dem Schulhof. Er war ein großer, gewichtiger Mann und hatte ein herrisches Auftreten. Als Unterrichtsfach gab er Geschichte und trat bei Feiertagen und Anlässen immer in SA-Uniform auf. Rektor Hänsel war zudem Vertreter für Schulbildung in der NSDAP-Kreisleitung.

Überzeugte Nationalsozialisten waren in der Großenhainer Lehrerschaft auch der stellvertretende Rektor, Volksschullehrer Arthur Hübler, sowie die Volksschullehrer Alfred Bodag, Georg Mehlhose und Walter Schumann. Alfred Bodag war Führer des Großenhainer Volkssturms und lief nach dem Evakuierungsaufruf der NSDAP-Kreisleitung an die Großenhainer Bevölkerung am 21. April 1945 noch mit Karabiner auf dem Rücken und Handgranaten im Gürtel mit einigen Leuten die Dresdner Straße Richtung Frauenmarkt herauf und schrie „Es geht weiter, bis zum Endsieg!“.

Mit dem Einmarsch der Roten Armee am 24. April 1945 und dem Zurückschlagen der Schörner-Offensive am 1. Mai 1945 wurde auch Walter Hänsel klar, dass sein Lebenswerk zerstört war. Aufgrund seiner schweren Zuckerkrankheit war ihm gleichfalls bewusst, dass er eine unabwendbare Gefangenschaft nicht überleben würde. So setzte er sich in den Abendstunden des 1. Mai 1945 ein letztes Mal an seinen Schreibtisch in der Wohnung Gustav-Schuberth-Straße 11 und schoss sich mit seiner Dienstpistole in den Kopf. Am 4. Mai 1945 wurde er als gottgläubig ohne Geistlichen auf dem Großenhainer Friedhof beerdigt.

Seine Befürchtungen traten bei einigen Lehrerkollegen tatsächlich ein. Arthur Hübler wurde am 31. Mai 1945 nach dem Speziallager Bautzen transportiert und starb dort am 7. Januar 1946. Walter Schumann wurde am 31. August 1945 verhaftet und verstarb am 9. September 1947 im Speziallager Ketschendorf. Georg Mehlhose wurde am 31. Mai 1945 in das Speziallager Mühlberg transportiert und dort am 25. März 1947 entlassen. Er war dann Lehrer an der Übungsschule in Großenhain und ein guter Didaktiker. Alfred Bodag wurde am 24. November 1945 in das Speziallager nach Mühlberg transportiert und von dort am 13. Juni 1946 zur Zwangsarbeit nach Sibirien geschafft, aus der er 1958 entlassen wurde.