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Schul-Erinnerungen vor dem Rathaus

Ehemalige Radeberger Schüler trafen sich jetzt in Radeberg. Zu einem doppelten Klassentreffen.

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© Bernd Goldammer

Von Bernd Goldammer

Radeberg. Der Zufall wollte es so: Gleich zwei Radeberger Schulklassen versammelten sich am Sonnabendnachmittag zum Klassentreffen vor dem Radeberger Rathaus. Es gab viele Umarmungen. Und auch den Austausch vieler Geschichten, die eine gemeinsame Schulzeit halt so mit sich bringen. Die Schulklasse des Einschulungsjahres 1958 traf sich am Glasbläser-Brunnen. „POS Richard Seyfert Schule“ wurde ihre Schule bis 1966 genannt. Namensgeber war ein berühmter Bildungspolitiker der Weimarer Republik. Ihre Schule lag rechts der Röder. Links von ihr gingen die Pestalozzi- Schüler des Jahrganges 1950 bis 1958 zur Schule. Auch sie trafen sich Sonnabend.

Deutschland hatte sich gerade zerlegt: Mitte 1948 gründeten die Westsektoren die Bundesrepublik. 15 Monate später wurde in der übrig gebliebenen Sowjetzone die DDR gegründet. Marshallplan-Hilfe war hier nur aus Westzeitungen bekannt. Hier gab es eher das Gegenteil: Reparationszahlungen an die Sowjetunion. Was sollte hier nun werden? Die Frage stand vor jedem, der in Radeberg seinen Schulweg antrat. Acht Jahre währte der gemeinsame Schulweg. Es entstanden Freundschaften und rege Beziehungen, die bis ins Alter reichten. Auch die Irrungen dieser Jahre waren in Radeberg spürbar. Sie trennten Lebenswege, nicht aber die Erinnerungen. Matthias Hartenstein zum Beispiel ließ sich zu einer negativen Äußerung zum einstigen DDR-Präsidenten Wilhem Pieck hinreißen. Von da an musste er mit staatlichen Repressalien rechnen. Er musste ohne Abschied gehen. Sein Weg führte über Berlin an verschiedene Universitäten in der Bundesrepublik. Er studierte Psychologie, Philosophie und Theologie und wurde später Pastor. Radeberg hat er wegen seiner Mitschüler in Erinnerung behalten. Die Anreise war ihm viele Kilometer wert gewesen. Sein Mitschüler Uwe Schöffel blieb in der DDR und wurde ein international gefragter Germanistik und Kunst Professor. Auch ihn interessiert der damalige Klassenverband.

Unterschiedliche Wege

Erinnerungen an die Schulzeit sind wichtig. Brunhilde Hübner war damals gerade zur Junglehrerin an der Pestalozzi-POS avanciert. Sie wurde Klassenlehrerin der 8a und gab Unterricht in unterschiedlichen Fächern. Mit ihrer lebensnahen Art gewann sie die Schüler für sich. Auch sie wäre am Sonnabend gern zum Klassentreffen gekommen. Doch die heute 91-Jährige kann gesundheitlich nicht mehr so, wie sie es gern möchte. Ihre Gedanken kreisten am Sonnabend um ihre Lehrerzeit an der Radeberger Schule. Ihre Schüler sind inzwischen auch schon 74. Und wer kommen konnte, war am Sonnabend dabei.

Lebensqualitäten in Ost und West entwickelten sich unterschiedlich. „Die meisten meiner Mitschüler blieben in der DDR. Viele von ihnen besuchten weiterführende Schulen. Sie wurden gebraucht und sie lösten Probleme, die das DDR-System mit sich brachte. Mit ungefähr 45 Lebensjahren sagten viele von ihnen dann Nein zu diesem System. Das war der Anfang vom Ende des Staates.

Ein würdiges Stück Leben breitete sich am Sonnabend in Radeberg aus. Außenstehenden erschien es an diesem Tage so, als ob der Kalte Krieg zwar unterschiedliche Lebensperspektiven und Sichtweisen ermöglicht hat. Doch die ersten Schritte in das Leben der deutschen Nachkriegsjahre haben menschliche Verbindungen geschaffen, die über der Zeitgeschichte stehen. Ihren Erzählungen sollten die Nachwelt neugierig machen. Die Schüler von damals haben bewegte Zeiten gemeistert, vieles erlebt und sich dabei ein gutes Gefühl für einander bewahrt. Das ist einfach klasse ...