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Schönheit mit Sollbruchstelle

In den Werkstätten der Staatsoperette entstehen Plastiken für Bühnenbilder. Einige davon sind dem Tod geweiht.

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© (c) Christian Juppe

Von Nadja Laske

Wenn ein Mann den Kopf verliert, kann einiges zu Bruch gehen. Die schöne Galathée zum Beispiel. Die büßt ihre Arme ein, immer wieder neu, Abend für Abend, in jeder Operettenvorstellung.

Eine alte Bekannte hingegen ist die Schlangenhand, die Susanne Jacob-Lehmann fit für ihren Auftritt macht.
Eine alte Bekannte hingegen ist die Schlangenhand, die Susanne Jacob-Lehmann fit für ihren Auftritt macht. © (c) Christian Juppe

Zum Glück gibt es Juliane Hörenz. Am Arbeitsplatz der Theaterplastikerin entstehen ausreichend neue Galatheés – etwa dreißig Zentimeter große Skulpturen aus Gips. Sie ähneln sich wie Vier-, Fünf-, Sechslingsschwestern und haben das gleiche Schicksal: Auf der Bühne werden sie kaputt gehen. Zumindest all jene, die Juliane Hörens mit Armen ausgestattet aus der Form hebt. Ohne diese Gliedmaßen ähnelt die sinnliche Frauenfigur verdächtig der Venus von Milo. Die antike Marmorfigur ist vielen bekannt, wenn nicht aus dem Louvre, dann wenigstens aus griechischen Restaurants.

„Wir haben die Figur gekauft und als Vorbild unserer schönen Galathée genommen“, sagt Juliane Hörenz. Seit knapp zwei Jahren arbeitet sie in der Theaterwerkstatt. Die wurde mit Eröffnung des Kulturkraftwerkes Mitte an den ehemaligen Standort des Theaters Junge Generation verlagert. In neuen, großen Hallen arbeiten nun Theaterplastiker und Theatermaler des TJG und der Staatsoperette.

Wenn sich in der neuen Inszenierung „Die schöne Galathée“ von Franz von Suppé der Bildhauer Pygmalion in sein eigenes Kunstwerk verliebt, wütet die Leidenschaft. Im Stück stehen fünf, sechs Skulpturen nebeneinander. Von einer gehen beim Anfassen nur die Arme ab, die anderen werden heruntergeworfen. Juliane Hörenz’ Aufgabe war es, diese Regieanweisung handwerklich umzusetzen. Dafür modellierte sie der Venus-Replik aus Kunstharz zunächst Arme an, nahm sie dann als Vorlage für eine Form und fertigt nun damit die Gips-Galathées. Damit beim Spiel vor dem Publikum die Arme zumindest einer Skulptur leicht abzubrechen sind, muss die Theaterplastikerin die Leerräume der Arme verstopfen, bevor sie den Gips in die Form gibt. Später klebt sie an die Stümpfe Arme aus Silikon, aber nur so fest, dass sie sich in der entsprechenden Szene lösen lassen. Lösungen finden gehört zur täglichen Arbeit der 28-Jährigen. Ihr Rüstzeug hat sie sich im Studium an der Hochschule für Bildende Künste und in freier Arbeit an verschiedenen Theatern angeeignet. Für welche Plastik eignet sich welches Material? Styropor, Pappe, Holz, Spachtelmasse oder Gips? Wie können die Darsteller das Bühnenbild am besten handhaben? Solche Fragen bespricht das Team gemeinsam, bevor es an den Auftrag geht.

Dazu gehört auch Susanne Jacob-Lehmann. Nachdem sie lange selbstständig als Holzbildhauerin und Theaterplastikerin gearbeitet hat, stattet sie nun auch Dresdner Operetteninszenierungen aus. Dabei geht es nicht nur um die insgesamt vier Neuinszenierungen des Jahres, wie die schöne Galathée, die am Sonnabend Premiere hat. Auch Wiederaufnahmen verlangen viel Arbeit an den Bühnenbild-Details. Die der Zauberflöte beispielsweise haben fast zweieinhalb Jahre im Lager verbracht. Nun werden sie zu neuem Leben erweckt, denn ab 17. November ist die Mozart-Oper wieder zu sehen. Ein riesiger Schlangenkopf lagert deshalb in der Werkstatt. Die Zähne waren leicht ramponiert und mussten ausgebessert werden. Außerdem arbeitet Susanne Jacob-Lehmann gerade daran, eine Art Schlangenhand zu verlängern. Dafür ummantelt die 41-Jährige eine neu verschraubte Metallstrebe mit Wattefleece und wickelt Kunstleder in Schlangenoptik darum. Das ist nötig, weil die Bühne im Kraftwerk deutlich größer ist als die im Leubener Operettenstandort. Aus diesem Grund erweitern die Theaterplastiker bestehende Bühnenbilder. So auch das der Inszenierung „Hänsel und Gretel“, die als Weihnachtsmärchen ab 8. Dezember wieder auf dem Spielplan steht.

Ihre Kollegin Juliane Hörenz erneuert den Backofen der Hexe. Er sieht irgendwie kaputt aus, doch das ist die Kunst: ein solches Bühnenmobiliar so zu konzipieren, dass es vor den Augen der Zuschauer glaubhaft demoliert werden kann, ohne ernsthaft Schaden zu nehmen. Solche Arbeiten entstehen in Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner und den Werkstattkollegen. Viele Stunden Arbeit vergehen, Mühe zwischen Gipsstaub und Sägespänen, bis Juliane Hörenz und Susanne Jacob-Lehmann ihr Werk vollendet sehen – nicht im Werkstattflair, sondern im Bühnenlicht.

Doppelpremiere: Die schöne Galathée + Gianni Schicchi von Puccini, Sonnabend, 19.30 Uhr; Restkarten zum Preis zwischen 17 und 49 Euro gibt es an der Abendkasse.