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Schnelle Bahn Dresden–Berlin noch ein Jahr später

Die Fahrzeitverkürzung um eine knappe halbe Stunde gibt es frühestens Ende 2017. Sachsens Regierungschef ist empört.

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© André Wirsig

Dresden. Das Trauerspiel um die 1995 beschlossene schnelle Bahnlinie von Dresden nach Berlin geht in den nächsten Akt. Die Verbindung, die nach ersten Planungen 2008 mit 200 Stundenkilometern hätte befahren werden sollen, verzögert sich nach SZ-Informationen weiter. Selbst der wiederholt gestreckte Ausbau auf Tempo 160 im Jahr 2014 ist nicht mehr zu halten.

Laut einem Brief von Bahnchef Rüdiger Grube an Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ist es „leider erforderlich, die geplante Totalsperrung im Interesse eines ungehinderten, planmäßigen Bauablaufs und einer einvernehmlichen Finanzierung der Kreuzungsmaßnahmen um ein Jahr in den Jahresfahrplan 2017 zu verschieben“. Das heißt: Die für einen Großteil der Strecke versprochenen 160 Stundenkilometer mit Fahrzeitverkürzung von jetzt 126 auf 100 Minuten wird es frühestens Ende 2017 geben. Grube hatte das Projekt vor einem Jahr zur Chefsache erklärt.

Für Jan Mücke, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, kam die Nachricht „völlig überraschend und ohne Vorwarnung“. Der FDP-Politiker spricht von „unzureichender Qualität“ der eingereichten Planfeststellungsunterlagen und sieht die Verantwortung „klar bei der DB AG“. Für Tempo 200 gebe es keinen Termin mehr. Mücke, der sich selbst für die Linie engagiert und sie wiederholt „auf gutem Weg“ sah, ist „auch persönlich außerordentlich enttäuscht“.

Grund für die Verschiebung sind nach Bahnangaben Verzögerungen beim Baurecht und fehlende Kreuzungsvereinbarungen mit den Kommunen für die meisten der 21 Bahnübergänge auf 80 Kilometern in Brandenburg. Für Tempo 200 müssen die Übergänge beseitigt werden.

Artur Stempel, Konzernbevollmächtigter der DB für Sachsen, wehrt sich gegen einseitige Schuldzuweisungen. Es gebe viele Beteiligte und so auch Fehler und Engpässe. „Zur Erlangung des Baurechts liegt die Federführung beim Eisenbahnbundesamt. Wir sind nicht Herr des Verfahrens“, so Stempel. Auf sächsischem Gebiet seien die Arbeiten im Plan. Jedoch gebe es auch für die 45 Kilometer von Weinböhla zur Landesgrenze noch keine Finanzierung.

Stephan Kühn, Sprecher Verkehrspolitik der Grünen im Bundestag, spricht von einem „Schwarzer-Peter-Spiel“ zwischen Bahn und Politik. „Wenn jemand etwas zur Chefsache erklärt, erwarte ich, dass er alle paar Monate auf der Baustelle ist und Kontakt zu den Leuten hat“, so Kühn. Da könne so etwas nicht überraschend kommen.

Selbst die neue Hiobsbotschaft muss nicht die letzte sein. Auch der neue Termin hänge von Kreuzungsvereinbarungen und Planfeststellungsbeschlüssen ab, wie DB-Vorstand Volker Kefer an Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) schreibt. Auf dem Cottbuser Bahngipfel am 6. Mai war gar von 2019 die Rede, da sich die Fahrzeit auf 100 Minuten verringern soll – so wie vor dem Zweiten Weltkrieg.

Sachsens Premier Tillich (CDU) ist empört. „Ich erwarte, dass der Bahnchef seine Zusage vom Bahngipfel 2012 in Chemnitz, die Strecke Dresden–Berlin zur Chefsache zu machen, nicht dadurch erfüllt, dass er permanent eine Verschiebung ankündigt, sondern dass er zügig die Umsetzung veranlasst“, so Tillich zur SZ. Wie aus Bahnkreisen verlautet, strebt Chef Grube einen Krisengipfel mit allen Beteiligten an.