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Schminke aus der Flasche

Vor fast 100 Jahren pflanzte die Familie vom Löbauer Nudelfabrikanten Apfelbäume. Der Saft der Früchte soll vermarktet werden.

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© Rafael Sampedro

Von Constanze Junghanß

Löbau/Lauba. Karl-Heinz Kitsche hält einen besonderen Saft in der Hand. Dem Saft sieht man das Außergewöhnliche nicht an. Er sieht aus, wie Saft eben so ausschaut; riecht und schmeckt schlicht und einfach nach Apfel. Weder zu süß noch zu sauer, wie Kitsches Tochter Kathleen – Chefin der Laubaer Familien-Kelterei Kekila – sagt. Fruchtig sei er selbstverständlich, betont die Unternehmerin. In jeder Flasche stecke schließlich hundert Prozent Natur. Tausende Flaschen Apfelsaft hat Kekila in diesem Jahr bereits produziert. Den Sondertrank allerdings gibt es nur in kleiner Auflage. Die ist auf 500 Flaschen limitiert und kann aktuell auch noch gar nicht gekauft werden. Doch was ist an diesem Apfelgetränk nun anders?

Am Haus Schminke wird derzeit noch gebaut. Deshalb gibt’s den Saft erst später.
Am Haus Schminke wird derzeit noch gebaut. Deshalb gibt’s den Saft erst später. © Matthias Weber

In Auftrag gegeben hat die Saftproduktion die Stiftung Haus Schminke. Das bestätigt Stiftungs-Mitarbeiterin Merte Stork. Die Äpfel stammen von der Streuobstwiese am „Nudeldampfer“. So bezeichnen die Einheimischen liebevoll das imposante Denkmal in Löbau an der Kirschallee – errichtet 1932/33 vom Architekten Hans Scharoun für den Nudelfabrikanten Fritz Schminke und seine Frau Charlotte. „Familie Schminke hat die Apfelbäume damals selbst angepflanzt“, weiß Merte Stork. Mittlerweile dürften die Sorten als historisch gelten, auch wenn die Mitarbeiterin nicht weiß, welche das genau sind. Vielleicht ist der Herrnhuter mit dabei oder der Boskopp? Jedenfalls steckt in jedem Baum, in jeder Blüte und letztendlich in jeder Frucht rein geschichtlich betrachtet die gepflanzte Erinnerung an eine bekannte Unternehmerfamilie. Die Schminke-Äpfel als Saft unter die Leute zu bringen, ist nun die Idee der Stiftung. In naher Zukunft werde es „Haus-Schminke-Saft“ zum Mitnehmen geben, kündigte die Stiftung in ihrem E-Mail-Newsletter an. Noch sind die Flaschen ohne Etikett und bei Kekila gelagert. Denn der „Nudeldampfer“ ist weiterhin Baustelle. Das bleibe bis zum Jahresende auch so, wie die Mitarbeiterin erzählt. Es dauert also noch ein bisschen, bis das Produkt zu kaufen sein wird. Spezielle Etiketten werde die Stiftung selber entwerfen, so Merte Stork. Was da draufkommt, wird ebenso wenig verraten, wie der Preis für die Flaschen. Äpfel der Schmink’schen Streuobstwiese wurden nicht zum ersten Mal verarbeitet. Es gab in der Vergangenheit bereits ein Getränk aus dem Obst. Im Gegensatz zum vitaminreichen Saft war das hochprozentig. „Die Sächsische Spirituosenmanufaktur hat Apfelbrand aus den Früchten gemacht“, sagt Merte Stork. Von dem gebe es sogar noch einige Flaschen.

Die Früchte der alten Streuobstwiese erweisen sich damit als Fundgrube kleiner, aber feiner Vermarktungsstrategien, die in dieser Form einmalig sein dürften. Einen „echten“ Schminke in der Flasche gibt es zumindest nur in Löbau. Für Kathleen Kitsche derweil war die Produktion auch eine Premiere, wie sie sagt. Üblicherweise kommen die Äpfel der Annahmestellen ohne Unterscheidung von Sorten oder Orten alle zusammen in die Laubaer Presse. Als der Anruf der Stiftung kam mit der Bitte, den Spezialsaft herzustellen, sei die Saison gerade gestartet.

Nach Informationen des Verbandes der deutschen Fruchtsaft-Industrie seien die Liefermengen für die 360 Fruchtsafthersteller deutschlandweit aktuell so hoch, dass die Keltereien vereinzelt an ihre Verarbeitungskapazitäten stoßen. Auch bei Kekila in Lauba geben sich die Sammler von Äpfeln und Birnen die Klinke in die Hand. Trotzdem wollte sich Kathleen Kitsche die Zeit für den Sonderauftrag nehmen, obwohl er zusätzliche Zeit in Anspruch nahm. Eine Extraschicht wurde geschoben. Das Silo sei komplett leer geräumt worden, damit kein „Fremdapfel“ in der Flasche landet. Pressen und Abfüllen erfolgten separat. Etwas über 550 Kilogramm Äpfel wurden so verarbeitet. Frau Kitsche stellte bei der Kostprobe fest: „Ein Saft mit gutem Zucker-Säureverhältnis ist das geworden.“ Auch wenn das viel Arbeit machte, würde die Laubaer Kelterei sich erneut zu einer solchen Sonderpressung bereit erklären.