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Schlange stehen für Notpakete

Mehr Dresdner holen ihr Essen von der Heilsarmee – besonders ältere. Viel zu tun für die Helfer, doch ein Wunsch bleibt.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Bonß

Halb zwei stehen die Ersten in der Schlange. Die Lebensmittelausgabe beginnt 14 Uhr, so wie an jedem Wochentag. Montag bis Freitag gibt es bei der Heilsarmee in Reick für 1,50 Euro Obst, Gemüse und Backwaren. Die Helfer holen die gespendeten Lebensmittel bei den Supermärkten ab und sortieren sie in Kisten. Die Ausgabe findet unter freiem Himmel statt. Der Platz dafür fehlt im Gebäude, auch weil immer mehr Menschen Hilfe bei der Heilsarmee suchen. Eine Bilanz.

Lebensmittel, wenn das Geld fehlt: Zahl der Notpakete hat sich verdoppelt

Wenn das Geld nicht mehr für Lebensmittel reicht, gibt es die Notpakete. Einmal pro Woche bekommt jeder eins. Wer damit eine Familie ernähren muss, findet mehr Lebensmittel darin. Dafür muss er die Hilfsbedürftigkeit nachweisen. Gründe dafür gibt es viele. Kürzungen und Sanktionen durch das Jobcenter, zu hohe Fixkosten, wenn unerwartete Rechnungen kommen, oder schlicht, wenn Schulden abgebaut werden müssen.

„Manchmal gibt das Jobcenter bei einer Sanktionierung gleich den Tipp, zu uns zu kommen“, sagt Gert Scharf, der mit seiner Frau Rosi die Heilsarmee leitet. Knapp 600 Menschen wurden im Dezember mit Notpaketen versorgt. Anfang 2016 waren es noch 322. Neu in diesem Winter ist die Kältestreife, die obdachlose Menschen, die nicht in eine Notunterkunft wollen, mit warmen Getränken und Essen versorgt. Derzeit wird so eine Gruppe Osteuropäer versorgt.

Lebensmittel, wenn das Geld knapp ist: Nummern ziehen bei der Ausgabe

23 Filialen der dänischen Supermarktkette Netto mit dem schwarzen Hund im Logo unterstützen die Heilsarmee. Jeden Tag fahren Helfer zu den Märkten und sammeln die Lebensmittelspenden ein. Einmal pro Woche helfen auch die sieben Dresdner Filialen von Vorwerk Podemus. Theoretisch würden gern noch mehr Läden Lebensmittel spenden. Doch die Heilsarmee hat nur ein Auto, um die Spenden abzuholen. Vor allem Obst, Gemüse und Brot werden für die tägliche Ausgabe benötigt. Auch hier steigt die Zahl der Bedürftigen. Weil viele von ihnen immer früher kamen, um als Erster an der Reihe zu sein, werden nun Nummern gezogen. Bis zu 25 Menschen kommen pro Tag. Bis zu 80 Menschen kommen täglich zum Mittagessen. Das kostet ebenfalls 1,50 Euro. Die mobile Suppenausgabe fährt weiterhin drei Mal pro Woche an den Alaunplatz.

Kleidung für den Neuanfang: Hilfe geht auch zu Bedürftigen im Ausland

Schräg gegenüber vom Haupthaus betreibt die Heilsarmee den Zweite-Chance-Laden sowie eine Kleiderkammer. 1 000 Kunden pro Monat kaufen in den Laden günstige Kleidung. Die Heilsarmee sammelt dafür Spenden. Viele der 54 ehrenamtlichen Mitarbeiter sichten, sortieren und ordnen die Kleider. Über 1 100 Menschen haben im Dezember die Kleiderkammer besucht. Hier bekommen sie kostenlos Dinge, die sie gerade brauchen, allerdings nur für den Eigengebrauch. Auch diese Zahl ist gestiegen. 45 Prozent der Bedürftigen sind Flüchtlinge. Weil immer mehr Familien nun nach Deutschland nachkommen, ist hier noch eine Steigerung zu erwarten. „Einen Unterschied beim Helfen machen wir natürlich nicht“, sagt Rosi Scharf.

Beratung für den Neuanfang: Immer mehr Rentner lassen sich helfen

Immer wichtiger werden die Beratungen. Die Mitarbeiter füllen Anträge aus, machen Termine und begleiten aufs Amt. Auch diejenigen, die mitunter nicht ganz freiwillig hier sind. Bis zu 20 Helfer leisten bei der Heilsarmee Arbeitsstunden. Nach dem Feierabend finden sie ein offenes Ohr und bekommen Unterstützung. Einige der jungen Menschen schaffen so den Neuanfang. Doch auch immer mehr Senioren brauchen Hilfe, vor allem dann, wenn die Rente nicht zum Leben reicht. „Viele wissen nicht, dass sie eine Aufstockung beantragen können“, sagt Rosi Scharf. „Oder sie schämen sich dafür.“ Die Hemmschwelle, nach Jahren der Arbeit um Hilfe zu bitten, sei groß.

Ein Neubau für noch mehr Hilfe: Für das Vorhaben fehlt vor allem Geld

Bei all der Arbeit klingt dieses Vorhaben wie ein Wunschtraum. 1,8 Millionen Euro soll der Neubau kosten, der hinter dem Hauptgebäude entstehen soll. Für den Tagestreff gibt darin mit 90 Plätzen doppelt so viele wie bisher. Die Lebensmittelausgabe könnte drinnen stattfinden. In der größeren Küche kann mehr Essen gekocht werden. Der Bauantrag ist durch. Nun fehlt das Geld. Rücklagen hat die Dresdner Heilsarmee keine. Die Deutschland-Zentrale will mit einer Spendenaktion helfen. Über Geld für die Alltagsarbeiten freuen sich die Dresdner ebenso. Langjährige, treue Spender fallen weg, weil die meist alten Menschen sterben. „Das Haus muss erhalten, Autos repariert und Heizkosten bezahlt werden“, sagt Rosi Scharf. Nur dann klappt die Hilfe für Tausende auch weiterhin.

www.heilsarmee.de/dresden