Im Gewerbepark Naunhof bei Großenhain entsteht ein europäisches Hanf-Kompetenz-Center. Wolle Förster verkauft das Objekt an eine kanadische Firma. Die ersten Hanfblüten bekommt der Züchter schon in den nächsten Tagen.
Teilen
Folgen
Von Birgit Ulbricht
Ebersbach. Ausgerechnet Hanf rettet eines der größten leeren Industriegebäude in Sachsen vorm Verfall und lässt Multi-Unternehmer Wolle Förster (63) breit grinsen. Was sollte aus dem einst modernsten Schlachthof nicht alles werden: Hundefutterproduktion, Algen- und Zanderzucht, Containerlager, Druckerei oder Flaschensortierung.
Von der Großfleischerei zur Cannabis-Zucht
Jetzt hat Mehrheitsaktionär Wolle Förster mit der kanadischen Firma Maricann endlich jemanden gefunden, dem diese riesige Industrieanlage aus Beton mit 70 Kühlräumen, Schlachträumen, Lagern, Büros, Kellern und ewigen Fluren wie auf den Leib geschneidert ist und das Millionenobjekt verkauft. „Wo kann man den besser klimatisieren als in ehemaligen Kühlräumen“, sagt Josef Späth, Prokurist der Maricann. Der Schlachthof ist gigantisch, wandelbar und von der Anlage her schon ein Sicherheitstrakt. Josef Späth wurde mit dem Auftrag nach Deutschland geschickt, ein passendes Objekt für das dortige Hanf-Konsortium zu finden.
In Naunhof in der Gemeinde Ebersbach, zwischen Radeburg und Meißen gelegen, hat er es entdeckt. Die Kanadier stehen nun nicht nur in den Startlöchern, in Sachsen im großen Stil Indoor-Anbau von Cannabis für den medizinischen Markt zu betreiben. In drei Monaten, so schätzt Josef Späth, dürfte die Entscheidung der Deutschen Cannabis-Agentur gefallen sein, wie viele Lose die Kanadier zugeteilt bekommen. Maricann legt bereits los – und zwar mit Industriehanf, der mit einer THC-Konzentration unter 0,2 Prozent als nicht berauschend gilt. Fünf Hanf-Sorten sind dafür genehmigt. Bereits nächste Woche kommt die erste Ernte von den Feldern in 40 Kilometern Umkreis in die deutsche Maricann-Niederlassung.
Verarbeitet werden momentan nur die Blüten der bis zu 3,50 Meter hohen Pflanze, die Vertragslandwirte bereits auf den ersten 180 Hektar angebaut haben. Dafür liefert Maricann den Landwirten eine eigene Fahrzeugtechnologie mit, die es ermöglicht, zentimetergenau in 3,50 Metern Höhe die wertvollen Büten abzuschneiden. Nächstes Jahr sollen es schon tausend Hektar Hanffelder sein. Alle liegen in der Region, da die Blüten der empfindlichen Pflanze innerhalb von drei, vier Stunden in die Trocknung müssen.
Nach Wein und Hopfen zieht nun der Hanfanbau ins Elbland ein. Das wird eine ganze Landschaft verändern. Für die langen Stiele der Hanfpflanze hat Maricann zwar dieses Jahr noch keine Verwendung. Doch auch das soll sich ändern. Die Hanfseilindustrie ist interessiert an neuen Technologien, wie sie beim BMW-I 3 bei Dämmmaterial zum Einsatz kommen. „Das Ziel ist, in Naunhof das deutsche Zentrum für Cannabis aufzubauen“, so Späth. Schon im ersten Anlauf können die Kanadier 30 000 Kilogramm Hanfblüten pro Tag verarbeiten. Dort, wo einst Schweinehälften zerlegt wurden, wird nun destilliert und extrahiert. Die Reinöle gehen in Gelkapseln von Nahrungsergänzungsmitteln sowie Kosmetika.
Die Produkte werden über die eigene Marke „Mariplant“ vertrieben. Dafür braucht es gewaltig Energie: 150 Liter Heizöl pro Stunde. Aber auch da sollen bald regenerative Energien her – aus Hanf, versteht sich.