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Scheiterte der Protest gegen Pegida?

Eine Abiturientin schreibt von Gegendemos. Über das Ergebnis sind sie und ihre Lehrerin sich nicht ganz einig.

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© Sven Ellger

Von Franziska Klemenz

Befriedigend. Eine Note, die andere nach so viel Arbeit ärgern würde. Birthe Brauckhoff ist gelassen, das Thema war ihr wichtiger als die Note. Wissenschaftliches Arbeiten muss sie noch üben, eine Haltung hat sie sich schon antrainiert. Die 18-Jährige aus der Südvorstadt hat eine der mündlichen Abiprüfungen gegen eine schriftliche Arbeit über den Protest gegen Pegida getauscht. Gerade musste sie ihr Ergebnis vor den Prüfern verteidigen. Brauckhoff sinkt in eine gelbe Couch, vor ihr steht ein Teller Zupfkuchen. Das Thesenpapier hält sie noch in den Händen.

Ihre zentrale Erkenntnis: „Die Gegenprotestgruppen sind wenig homogen, reichen von nahe linksextrem bis in sehr gemäßigte konservative und bürgerliche Nähe.“ Mehr Einigkeit hätte den Protest gestärkt, glaubt Brauckhoff. Und: Die Medien hätten ihre Aufmerksamkeit unausgewogen verteilt. Allerdings waren das auch die Teilnehmerzahlen – in Dresden besuchte die Gegen-Demonstrationen nur ein Bruchteil der Massen, die Pegida anlockte. „Wenn man sich mit dem Gegenprotest beschäftigt, findet man alle Seiten auf Facebook, aber in den Medien kommt er kaum vor. Das finde ich traurig“, sagt Brauckhoff und rückt ihr schwarzes Brillengestell zurecht. „In der Tagesschau wurde erzählt: ‚So und so viele Tausend Demonstranten bei Pegida‘ – die Gegendemo kam höchstens in einem Halbsatz vor. Es sollte über jede Seite gleich viel berichtet werden. Wenn du nur die eine Seite kennst, wie willst du dich dann sachlich dazu äußern, warum du nicht auf der anderen stehst?“

Brauckhoff steht seit vier Jahren auf der anderen Seite, wurde 2014 Mitglied der Satirepartei „Die Partei“. Damals war sie 14, stieg als Jugendbeauftragte ein. Pegida erlebte sie, als das rechte Bündnis noch 20 000 Teilnehmer mobilisierte. „Auf der Oberschule war das nicht einfach. Es gab außer mir nur zwei andere in der Klasse, die politisch gebildet waren und diskutieren konnten. Einer davon fand Pegida gut, weil sein Vater Lutz Bachmann mochte.“

Auf dem Berufsgymnasium wurde es politischer. Gemeinschaftskunde-Lehrerin Marion Ossowski forderte die Schüler auf, wöchentlich über je ein Ereignis aus der Welt, Europa, Deutschland, Sachsen und Dresden Bescheid zu wissen. „Das war toll, aber nur in der elften Klasse“, sagt Brauckhoff. „Danach hatte ich andere Lehrer.“

Ossowski verdankt Brauckhoff, dass sie ihre Arbeit über den Gegenprotest schreiben durfte. Nach der Prüfung diskutieren die beiden, ob der Gegenprotest erfolgreich war. „Ich finde nicht, denn es gibt Pegida noch“, sagt Brauckhoff. Ossowski ist anderer Meinung. „Der Protest hat gezeigt, dass es in Dresden nicht nur eine Meinung gibt, und teilweise sogar Umdenken bewirkt.“