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Schafzüchter soll erneut vor Gericht

Ein Jungbauer wurde vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Jetzt soll er wieder auf die Anklagebank.

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© André Schulze

Von Jürgen Müller

Coswig. Toni Pahlig, der Landwirt im Nebenerwerb aus Coswig, gibt sich kämpferisch. „Ich lasse mich nicht als Hetzer abstempeln. Dann geht es eben in die nächste Runde“, sagt er. Der 28-Jährige war am 9. Mai vorigen Jahres am Amtsgericht Meißen vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden. Auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte auf Freispruch plädiert. Dennoch ging die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil in Revision. Das Oberverwaltungsgericht Dresden gab jetzt der Revision statt und hob das Urteil auf.

Die Staatsanwaltschaft wirft Pahlig Volksverhetzung vor. Pahlig hatte auf Facebook nach Auffassung der Staatsanwaltschaft gegen Asylbewerber gehetzt mit dem Satz: „Sie überlegen sogar, den Real eher zu schließen wegen dem Drecksvolk.“ Der Schafzüchter erhielt einen Strafbefehl, sollte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro, insgesamt also 1 350 Euro, zahlen. Dagegen legte er Einspruch ein.

Die Sache hat eine Vorgeschichte. Im Mai 2015 findet der Jungbauer von einem Schwarzkopf-Mutterschaf auf der Koppel nur noch bestialisch stinkende Innereien. Diese sowie Fell und Knochen ließen die Täter in einem blauen Sack zurück. Offensichtlich war das Schaf, das Pahlig einst aus der Lüneburger Heide holte und dafür fast 300 Euro zahlte, auf der Weide abgeschlachtet worden. Im August dann die nächste Tat. Diesmal wird ein Heidschnucken-Muttertier von der Weide geholt und getötet. Eine große Blutlache und Schleifspuren deuten darauf hin. Der Coswiger hat einen Schaden von rund 1 000 Euro.

Verfahren gegen Diebe eingestellt

Die Polizei kann als Tatverdächtige zwei Asylbewerber aus Nordafrika ermitteln. Doch auf der Anklagebank landen sie nicht. Die Staatsanwaltschaft Meißen hat die Verfahren gegen die 22 und 28 Jahre alten Tatverdächtigen eingestellt. In dem einen Fall, weil der Mann noch andere, weit schwerwiegendere Straftaten begangen hat. In solchen Fällen werden die Verfahren „im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung“ eingestellt. Die Tat fällt also nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht ins Gewicht.

In dem anderen Fall wurde das Verfahren wegen nicht hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Das heißt, die Beweise reichen nicht aus, um ihm die Tat sicher nachzuweisen. Beides ist allerdings übliche Praxis auch bei deutschen Tatverdächtigen.

Der damalige Verteidiger Frank Hannig argumentierte, sein Mandant habe nicht eine ganze Volksgruppe gemeint, sondern mit seinem Post nur die beiden konkreten Täter. Das sei dem Angeklagten nicht zu widerlegen, so Staatsanwalt Ingolf Wagner. Es fehle der Vorsatz, so der Staatsanwalt und plädierte auf Freispruch. Das sah auch Richterin Ute Wehner so. Dem Angeklagten könne nicht widerlegt werden, dass er seine Äußerung nur auf die Schafdiebe bezogen wissen wollte, sagte sie und sprach ihn frei. Das Oberlandesgericht sah das anders. Der Senat führte in seiner Begründung aus, anhand der Urteilsgründe des Amtsgerichts könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen habe, dass die Äußerung allgemein auf „Asylanten und Flüchtlinge“ bezogen verstanden würde. Die Prüfung dieser Frage erfordere eine differenzierte Betrachtung und eine Gesamtwürdigung aller Beweismittel, woran es bislang fehle. Deshalb hob der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden das Urteil des Amtsgerichts Meißen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Meißen zurück.

Die Entscheidung hat zu vielfältigen Reaktionen geführt. „Ich frage mich, was an unseren Gerichten los ist. Da beschäftigen sich Oberlandesgericht und Amtsgericht mit dem Schmähwort „Drecksvolk“ eines Geschädigten. Ich finde auch die verbalen Ausgleisungen als primitiv und peinlich. Aber haben bei dem anstehenden Arbeitsstau an den Gerichten die Richter nicht viel Wichtigeres zu tun? Oder ist es bequemer, sich mit solchen Banalitäten auseinanderzusetzen? Da bleiben eben Raub, Körperverletzung, Diebstahl liegen. Hätte es nicht auch ein Ordnungsgeld getan?“, schreibt H.-G. Richter per Mail. Auch Andre Kohl treibt das Thema um: „Es ist beruhigend, dass wir es uns leisten können, die verbale Entgleisung eines bestohlenen Schafhalters über mehrere Instanzen zu verhandeln“, schreibt er.

Auf der Facebook-Seite der SZ wird das Thema kontrovers diskutiert. „Die Bevölkerung soll durch Präzedenzfälle mundtot gemacht werden. Jene, die was zu verlieren haben, kann man besser kontrollieren. Wenn ich mir überlege, welch Aufwand wegen einer Formulierung hier betrieben wird, da bleibt mir die Spucke weg“, meint Henri Schneider aus Coswig. Dagegen findet Holm Winkler aus Dresden: „Super! Auf das OLG ist Verlass.“ – „Frage mich, was das soll. Toni, der als Jungbauer auch oft genug für seinen kleinen Betrieb gekämpft hat, platzt einfach mal der Kragen nach der Aktion. Für mich ein Politikum zur Einschüchterung“, so Rene Glaser aus Radeberg. Toni Pahlig ist vor allem genervt. „Ich hoffe, dass das bald vorbei ist, schließlich habe ich Wichtigeres zu tun“, sagt der Landwirt, der im Nebenerwerb 30 Hektar bewirtschaftet und in diesem Jahr auf 50 Muttertiere aufstocken will. Ein neuer Verhandlungstermin steht allerdings noch nicht fest. „Das Verfahren beginnt völlig neu. Das schließt nicht aus, dass es erneut einen Freispruch geben kann“, so Gesine Tews, Sprecherin des Oberlandesgerichtes Dresden. Möglich ist auch, dass das Verfahren gegen den Schafzüchter wegen „geringer Schuld“ ohne Auflagen eingestellt wird. Das bietet sich auch deshalb an, weil die Tat nun schon drei Jahre zurückliegt.

Auf dem finanziellen Verlust bleibt der Landwirt sitzen, er bekam keine Entschädigung. Insgesamt seien ihm damals sogar sechs Schafe gestohlen worden. Die letzten beiden Diebstähle habe er gar nicht mehr angezeigt. „Hat doch sowieso keinen Zweck“, sagt er.