Merken

Schädelbruch nach „Ordnungsschelle“

Ein 29-Jähriger aus Finsterwalde schlägt einen Mann mit einem einzigen Faustschlag krankenhausreif. Der soll ihn provoziert haben.

Teilen
Folgen
© Symbolfoto: Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Meißen. Der 29-jährige Angeklagte aus Finsterwalde macht aus seiner Gesinnung keinen Hehl. Er gehört der linken Szene an, ist Mitglied einer Punkband. Gern posiert er auf seiner Facebook- Seite mit T-Shirts mit der Aufschrift „Absolut Antifa“ oder zeigt den „Stinkefinger“.

Zur Gerichtsverhandlung trägt der bullige Mann ein Shirt der Marke Lonsdale. Der Richter wundert sich: Seit wann trage die Antifa Sachen diese Marke? Tatsächlich hatte der englische Hersteller von Sport- und Freizeitbekleidung in den 1990er Jahren großen Zuspruch bei Neonazis. Der rührte von den vier Buchstaben in der Mitte her. Neonazis trugen über ihren Lonsdale-Shirts gerne eine Bomberjacke, sodass lediglich die Buchstaben „NS“ zu sehen waren. Seitdem hat die britische Firma mit einem braunen Image zu kämpfen. Seit Jahren kämpft sie dagegen, mit Erfolg. Sie engagierte sich in der Kampagne „Laut gegen Nazis“, sponserte Fußballklubs wie Roter Stern Leipzig. Der Umsatz brach daraufhin in Sachsen um 75 Prozent, deutschlandweit um 35 Prozent ein. Inzwischen tragen auch Linke deren Kleidung.

„Nazis aufs Maul“ zu hauen ist ebenfalls eine Aufschrift eines T-Shirts des Angeklagten. Jedenfalls trägt er auf Facebook auch ein solches Shirt. Im Februar dieses Jahres hat er in einem Meißner Klub einem vermeintlichen Nazi aufs Maul gehauen. Und zwar so sehr mit einem einzigen Faustschlag, dass der das Bewusstsein verliert, sich schwerste Verletzungen zuzieht. Erste Diagnose: Hirnblutung und Schädelbasisbruch. Doch das bestätigt sich in der Universitätsklinik Dresden, wo der Geschädigte eine Woche lang behandelt werden muss, nicht. Es ist „nur“ eine Schädel- und Nasenbeinfraktur und ein Riss des rechten Trommelfelles.

Auslöser des Schlages ist, dass der spätere Geschädigte in dem Klub „Scheiß Antifa“ gerufen hat. Wohl in dem Bewusstsein, einen „Nazi“ vor sich zu haben, schlägt der Angeklagte zu. Doch der „Nazi“ ist ebenso ein Linker, wie der Klubchef der SZ bestätigt. „Wenn er betrunken ist, dann wird er aufdringlich und lästig“, sagt dieser. Zudem habe der Mann schon mal schlechte Erfahrungen mit einer Antifa-Band gemacht. Dumm gelaufen.

Ursprünglich waren 13 Zeugen geladen. Doch der Richter hat sie alle abgeladen, weil der Angeklagte ein Geständnis angekündigt hatte. Das hat für diesen den Vorteil, dass nur seine Sicht der Dinge dargestellt wird. Nach seiner Schilderung seien seine und eine andere Band schon vor dem Auftritt von dem Mann belästigt worden. „Der hat versucht, uns das Bier aus der Hand zu schlagen“, sagt er. Aufforderungen an der Veranstalter, den Mann aus dem Klub zu entfernen, sei dieser nicht nachgekommen. Der Mann gehöre praktisch zum Inventar, so die Begründung. Wegen der Provokationen habe er ihm eine „Ordnungsschelle“ verpasst, sagt der Angeklagte.

Die Staatsanwältin sieht sehr wohl die Provokationen, aber auch, dass der Geschädigte schwerst alkoholisiert war. Er habe keine Möglichkeit gehabt, sich gegen den Schlag zu wehren. „Mir erschließt sich nicht, dass Sie derart vorgegangen sind. Das war keine Ordnungsschelle, sondern ein knallharter Faustschlag“, sagt sie und fordert wegen gefährlicher Körperverletzung eine Haftstrafe von acht Monaten auf Bewährung. Außerdem solle er 1 500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung oder an den Geschädigten zahlen.

Der Richter hingegen sieht nur eine einfache Körperverletzung. Der Mann habe nur einmal – wenn auch massiv – zugeschlagen, habe nicht beabsichtigt, eine Lebensgefährdung herbeizuführen. Möglicherweise seien die Verletzungen durch den Sturz auf den Hinterkopf noch massiver geworden. Er verurteilt den Dachdecker lediglich zu einer Geldstrafe von 3 600 Euro, die sich auf 90 Tagessätze zu je 40 Euro verteilt.

Damit gilt der Schläger nicht mal als vorbestraft, das heißt, die Strafe wird nicht ins Führungszeugnis eingetragen. Das ist erst bei Strafen von mehr als drei Monaten oder mehr als 90 Tagessätzen der Fall.

Zivilrechtlich wird die Sache für den Angeklagten aber wohl teurer. Er muss mit Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen rechnen, ebenso wird sich die Krankenkasse des Geschädigten die Behandlungskosten von ihm zurückholen.