Merken

Rothenburger Friseurtradition

Anna Galgan arbeitet mit neuen Ideen unter altem Namen. Ruth Wagenknecht ist im Salon in der Priebuser Straße unvergessen.

Teilen
Folgen
© Jens Trenkler

Von Frank-Uwe Michel

Rothenburg. Eigentlich hatte sie mit Rothenburg nichts am Hut. In Polen geboren, hätte sie sich nicht im Traum einfallen lassen, irgendwann den traditionsreichsten Friseursalon in der kleinen Neißestadt zu führen. Doch vor reichlich drei Jahren ist genau das eingetreten: Anna Galgan wurde Chefin im Salon Wagenknecht.

Ein Blick in die Vergangenheit: Ruth Wagenknecht (sitzend) und Ute Zahaisky (links) zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen.
Ein Blick in die Vergangenheit: Ruth Wagenknecht (sitzend) und Ute Zahaisky (links) zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen. © privat

Der Name ist in Rothenburg eine Institution, deshalb soll er auch weiter bestehen. „Aus Wertschätzung gegenüber einer verdienten Frau, die von ihren Mitarbeitern viel verlangte, an sich selbst aber auch hohe Ansprüche stellte. Sie war mit Leib und Seele Handwerksmeisterin. Ich werde ihr Lebenswerk immer sehr zu schätzen wissen“, sagt die 44-Jährige, die 2010 ihrem Bruder Krystian Burczek nach Niesky nachzog. Während er hier und in Rothenburg als katholischer Pfarrer agierte und als solcher noch immer für die beiden Gemeinden verantwortlich ist, ging sie für drei Jahre in einen Friseursalon nach Weißenberg. Die deutsche Sprache fiel ihr anfangs schwer, aber sie überzeugte mit ihren beruflichen Fähigkeiten. Bei einem Gemeindefest in Niesky wurde sie von Ute Zahaisky angesprochen, ob sie sich einen Wechsel in den von deren Mutter Ruth Wagenknecht begründeten Salon nach Rothenburg vorstellen könne. Zu dieser Zeit war noch nicht absehbar, dass die traditionsreiche Handwerkerfamilie mit dem viel zu frühen Tod der Juniorchefin ein harter Schicksalsschlag ereilen würde. Die Leitung des Geschäftes musste daraufhin neu geregelt werden. Und so entschloss sich Anna Galgan, das Angebot der Firmengründerin anzunehmen. „Im April 2015 habe ich mich selbstständig gemacht, ohne die Unterstützung von Frau Wagenknecht hätte ich das nie geschafft.“

Auch in der Folgezeit hielt die alte Dame an Traditionen fest, obwohl sie den Laden schon abgegeben hatte. So ließ sie es sich nicht nehmen, morgens die Rollos an den Fenstern hochzuziehen und die elektrischen Geräte betriebsbereit zu machen, Auch eine andere Begebenheit ist Anna Galgan fest in Erinnerung geblieben: „Manchmal saß Frau Wagenknecht mit einer Zeitung im Salon, blinzelte über die Seiten hinweg und beobachtete, ob das Geschäft gut läuft.“ Alte und neue Chefin hatten trotz des großen Altersunterschieds immer ein gutes Verhältnis zueinander. „Mir ging und geht es auch heute noch darum, die Kontinuität im Laden zu bewahren, ihn auf der Basis von Tradition, im Zusammenspiel mit zweifellos notwendigen Neuerungen, in die nächsten Jahre zu führen.“

Als Ruth Wagenknecht im Oktober 2017 verstarb und damit die Wohnung über dem Geschäft frei wurde, entschied sich ihre Nachfolgerin, in nächster Zeit von Niesky hierher umzuziehen. In Kürze ist es nun so weit: Am 1. August ist Anna Galgan Rothenburgerin. „Ich bin sehr zufrieden mit der momentanen Situation. Stolz bin ich vor allem auf mein Team, in dem immer noch eine von Frau Wagenknechts Angestellten beschäftigt ist.“ Die Rothenburger seien an sich äußerst traditionsbewusst. So ließen sich oft drei Generationen einer Familie in der Priebuser Straße die Haare legen.

Weil sie so begeistert von ihrer neuen Heimat ist, macht Anna Galgan auch beim diesjährigen Festumzug mit. „Dazu haben wir eine Pferdekutsche geordert. Darauf zeigen wir, wie Frisuren und Kleidung in den unterschiedlichen Zeitepochen zueinander passten“, beschreibt sie die Idee zum 750. Stadtgeburtstag. Überhaupt schließt sich für die Neu-Rothenburgerin in diesem Jahr ein Kreis: „Ruth Wagenknecht fand hier nach dem Kriegsende eine neue Heimat und berufliche Zukunft. Das Gleiche trifft jetzt auch für mich zu.“