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Ronaldo vor der Richterin

Am Montag wird der Superstar vor Gericht in seiner Steueraffäre angehört. Dem System der Gier droht der Einsturz. Denn es gibt mehr als nur den „Fall Ronaldo“.

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© dpa

Von Sebastian Stiekel und André Stahl

Ein Unternehmen in Irland. Eine Briefkastenfirma in der Karibik. Ein Konto in der Schweiz. Durch dieses Geflecht hat der bekannteste und bestbezahlte Fußballer der Welt jahrelang Millionen und Abermillionen an Werbeeinnahmen geschleust. An diesem Montag wird Cristiano Ronaldo deshalb in Madrid von einer Ermittlungsrichterin angehört. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Superstar von Real Madrid die Hinterziehung von rund 14,7 Millionen Euro an Steuern vor.

Ronaldo selbst bestreitet das. Er ließ über seine Anwälte erklären, ein legales Konstrukt zu unterhalten, zumindest aber nicht absichtlich Steuern hinterzogen zu haben. Nach dieser Anhörung am Montag wird sich entscheiden, ob dem 32-Jährigen der Prozess gemacht wird oder ob er noch mal aus dieser Sache herauskommt – sei es durch einen Deal mit den Behörden oder durch die Einstellung der Ermittlungen.

So oder so handelt es sich dabei aber nicht bloß um einen „Fall Ronaldo“. Seine Steueraffäre legt den Blick frei auf die gigantischen Millionenbeträge, die im Fußball fließen, auf die Gier der Protagonisten, auf den gefährlichen Einfluss seines Beraters Jorge Mendes. All das wird von der Internetseite „Football Leaks“ sowie dem Magazin Spiegel seit Monaten enthüllt und in dem Buch „Football Leaks – Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball“ detailliert beschrieben.

Am 27. Juni sagte bereits der Spieleragent Jorge Mendes vor Gericht in Madrid aus. Er arbeitet mit Ronaldo zusammen, seit dieser 16 Jahre alt ist. Sinngemäß erzählte Mendes der Richterin: Er handele mit den Vereinen nur die Gehälter seiner Spieler aus. Für eine steuerliche Beratung oder die Gründung anderer Unternehmen habe er keine Zeit.

Fakt ist jedoch: Wer mit Ronaldo werben will, wer sein Gesicht für eine PR-Kampagne oder nur für die kleinen berühmten Stickerbilder der Fußballstars verwenden will, musste die entsprechenden Verträge bis 2014 mit einer Firma in Irland abschließen. Mehrheitsaktionär dieser Firma: Jorge Mendes. Geschäftsführer: Mendes’ Neffe.

Die Firma in Irland behielt nach Abschluss jedes Vertrages aber nur eine Provision für sich ein und leitete das Geld auf die Britischen Jungferninseln weiter. Dort saß eine Briefkastenfirma, die ein Konto in der Schweiz besaß und an die Ronaldo bis 2014 seine Bild- und Werberechte abtrat.

Millionen versickern in Steueroasen

Mehr als 70 Millionen Euro flossen auf diesem Weg zwischen 2009 und 2014 in die Karibik. Der Unternehmenssteuersatz auf den Britischen Jungferninseln liegt bei null Prozent. „Es ist doch wirklich nicht nötig, Steuern zu hinterziehen, wenn man so viel Geld verdient“, sagte Aleksander Ceferin, Präsident des europäischen Fußballverbandes Uefa, dem Spiegel. Der internationale Druck auf solche Steueroasen nimmt zwar zu. Trotzdem meint auch Finanzminister Wolfgang Schäuble: „Das ist ein Kampf gegen Hydra.“

Denn auch die „Football Leaks“-Enthüllungen zeigen: Hinter dem Modell Ronaldo steckt System. Im Juni erstattete die Staatsanwaltschaft in Madrid auch Anzeige wegen Steuerhinterziehung gegen den Star-trainer José Mourinho. Sein Konstrukt: Eine Offshore-Firma in der Karibik. Sein Berater: Jorge Mendes. Kurz danach erschien auch der Stürmer Radamel Falcao vor Gericht und zahlte an den spanischen Fiskus mehr als acht Millionen Euro nach. Sein Berater: ebenfalls Jorge Mendes.

Die Ermittlungen gegen James Rodríguez laufen in Spanien noch. Der Mendes-Klient ist gerade von Real Madrid zu Bayern München gewechselt. Doch es gibt auch noch Pepe, Fabio Coentrao oder Angel di María: Sie alle spielten für Real Madrid, sie alle unterhielten eine Briefkastenfirma in der Karibik, sie alle zahlten Millionenbeträge an den Staat zurück, und sie alle werden beraten von Mendes. „Er ist der Mann, der Spieler schwindelerregend reich macht. Aber bei dem sie auch zu Zockern werden“, schrieb der Spiegel.

Berührungsängste mit dem früheren Video-Verleiher und Nachtklub-Betreiber hat im Fußball keiner. Im Gegenteil: Mendes vermittelte zuletzt Rodriguez und Renato Sanches an den FC Bayern, di Maria an Paris Saint-Germain, Nelson Semedo an den FC Barcelona, André Silva zum AC Mailand, Ederson und Bernardo Silva an Manchester City, Pepe an Besiktas Istanbul.

Laut „Football Leaks“-Enthüllungen dirigieren Mendes und der frühere Manchester-United-Chef Peter Kenyon einen Fonds, der über Jahre an den Transferrechten von Fußball-Profis beteiligt war und besonders an den lukrativen Spielerverkäufen von Atletico Madrid partizipierte. 2014 und 2016 hieß das Champions-League-Finale Real gegen Atlético. Einige wichtige Real-Spieler beriet Mendes direkt, an einigen von Atlético verdiente er. So viel zu seinem Einfluss.

Ein Rundum-Paket für Freunde

Das neueste Modell des 51 Jahre alten Portugiesen und seiner Beraterfirma „Gestifute“ ist eine Art Rundum-Paket, bei dem Geschäftspartner oder Freunde von Mendes ganze Klubs aufkaufen und dann aus dem Portfolio des Agenten mit Spielern und Trainern versorgt werden. So passiert mit dem ruhmreichen FC Valencia in Spanien oder den Wolverhampton Wanderers in der zweiten englischen Liga.

Ronaldo und Mendes haben in den vergangenen Wochen viel versucht, um in ihrer Steueraffäre aus der Defensive zu kommen. Mal gaben sie sich demonstrativ gelassen, mal drohten sie mit Ronaldos Weggang von Real Madrid. Am Montag steht aber nicht nur ein prominenter Fußballer vor einer Richterin, sondern das gesamte System Ronaldo/Mendes auf dem Spiel. Im Fall eines Prozesses droht „CR7“ eine Haftstrafe und dem gesamten Fußball ein riesiges Imageproblem: Denn schon 2016 wurde mit Lionel Messi ein Superstar wegen Steuerhinterziehung verurteilt. (dpa)