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Roitzsch statt Groitzsch

Mike Thiele und Toralf Schneider aus Klipphausen nehmen viel Geld in die Hand und investieren in eine Firma auf dem Dorf.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Klipphausen. Die beiden Orte trennen nur ein Buchstabe und rund 30 Kilometer. Doch für die Unternehmer Mike Thiele und Toralf Schneider gab es viele Gründe, von Groitzsch (Klipphausen) nach Roitzsch (Lommatzsch) umzuziehen, einen Ort in den sich wohl nicht so viele Menschen verirren. In der Mitte des kleinen, nur rund 60 Einwohner zählenden Dorfes, stehen sich eine große, moderne Gewerbehalle und ein altes und verfallenes Wohnhaus gegenüber. Seit Kurzem hat hier die Firma A4Tec GmbH einen Standort. Die wurde 2010 gegründet und hat ihren Firmensitz in Klipphausen. Noch. Doch das wird sich demnächst ändern. „Es hat nicht mehr gepasst in Klipphausen“, sagt Mike Thiele.

Gegensätze: Neue Halle und altes Haus. Das frühere Wohngebäude eines Vierseithofes steht unter Denkmalschutz und darf nicht abgerissen werden.
Gegensätze: Neue Halle und altes Haus. Das frühere Wohngebäude eines Vierseithofes steht unter Denkmalschutz und darf nicht abgerissen werden. © Claudia Hübschmann

Eine halbe Million Euro haben er und sein Geschäftspartner Toralf Schneider in die Hand genommen, um hier auf dem Dorf ein Gewerbe aufzubauen. „Das geschah vor allem aus Kostengründen. Wir wollten uns verändern, hatte uns verschiedene Grundstücke angesehen. Doch nichts gefiel uns so richtig und nirgends war es so günstig wie hier“, sagt Mike Thiele. Günstig ist nicht nur der Kaufpreis, günstig ist auch die Verkehrslage zwischen Riesa, Lommatzsch, Ostrau, Döbeln, Meißen. „Aus diesen Gegenden kommen nicht nur unsere Kunden und Zulieferer, sondern auch unsere derzeit vier Mitarbeiter“, sagt Toralf Schneider. Diese zu finden, sei in strukturschwachen Gegenden vielversprechender als in Ballungszentren. „Manche Mitarbeiter können jetzt mit dem Fahrrad auf Arbeit kommen“, sagt Mike Thiele, der in Oschatz wohnt.

Ein wesentlicher Grund sei aber auch die sehr gute und unkomplizierte Zusammenarbeit mit der Stadt Lommatzsch und die Unterstützung von Wirtschaftsförderung Meißen sowie der Sparkasse Meißen gewesen. „Uns wurden hier Tür und Tor geöffnet, auch der Stadtrat hat sich für unser Anliegen offen gezeigt“, so Toralf Schneider, der sich wie sein Mitinhaber einst aus der Arbeitslosigkeit heraus in die Selbstständigkeit stürzte .

Dorfbild wird aufgewertet

Bürgermeisterin Anita Maaß (FDP) ist begeistert von den beiden Unternehmern. „Wer so viel Geld investiert, der ist davon überzeugt, dass sein Geschäftsfeld nachhaltig ist“, sagt sie. Die Ansiedlung sei auch daher für den Ort interessant, weil dadurch alte, unansehnliche Hallen verschwanden. „Roitzsch macht damit einen Sprung, das Dorfbild wird enorm aufgewertet“, sagt sie. Auf dem insgesamt 11 000 Quadratmeter großen Gelände, das einst landwirtschaftlich genutzt wurde und auf dem sich auch ein Vierseithof befand, mussten zunächst verschiedene Bauten wie Ställe abgerissen werden.

Ein Gebäude aber steht immer noch und wird wohl auch bleiben. Es ist jenes verfallene Wohnhaus. Das Problem: Das Fachwerkhaus steht unter Denkmalschutz, darf nicht abgerissen werden. Ursprünglich war vorgesehen, dort die Firma einzurichten. Doch dazu hätte man eine siebenstellige Summe in die Hand nehmen müssen, sagt Thiele. Das kann die kleine Firma niemals stemmen. So wurde das Gebäude, das bis November 2017 noch bewohnt war, erst mal beräumt und gesichert. Sechs, sieben Container mit Müll aus dem Haus wurden gefüllt. Wie es mit dem Gebäude weitergeht, ist derzeit unklar. Toralf Schneider sieht es pragmatisch: „Wir sind mit der Standortwahl trotzdem sehr zufrieden. Den ultimativen Standort gibt es nie“. Auch eine Pflanzenkläranlage musste gebaut werden für die Firma, die Maschinen für die Landwirtschaft und Anlagen für die Automobilindustrie herstellt, individuell nach Kundenwunsch. Und die Kunden wollten nicht nur, dass ihre Anlagen von der Firma entworfen und konstruiert, sondern gleich dort gebaut werden. „Ursprünglich war das nicht unser Ziel, doch die Nachfrage der Kunden war da. Deshalb entschlossen wir uns, eine Produktionshalle zu bauen und vier Leute einzustellen“, sagt Mike Thiele. Zuvor war die Firma ein reines Konstruktionsbüro.

Auftragsbücher sind voll

Obwohl schon produziert wird, ist noch einiges zu tun. In diesem Jahr sollen noch ein Meisterbüro, Sanitäranlagen und eine Abstellfläche entstehen, außerdem sollen die Außenanlagen gestaltet werden. Den beiden Unternehmern ist um die Zukunft ihrer kleinen Firma nicht bange. Bis zum Jahresende sind die Auftragsbücher voll, es gibt schon Vorlauf für 2019. Wenn es so weiterlaufe, könne man mittelfristig vielleicht noch einen Mitarbeiter einstellen, sagt Mike Thiele.

Die Bürgermeisterin hofft, dass sich in dem kleinen Roitzsch noch mehr Firmen ansiedeln. „Der Ort hat noch Potenzial. Wenn sich erst mal einer ansiedelt, kommt auch der Nächste“, hofft sie. Mit der Ansiedlung kämen nun sechs Arbeitsplätze auf die 60 Einwohner. „Das ist doch ein sehr guter Wert und auch ein Zeichen, dass unsere Dörfer eine Zukunft haben“, so Anita Maaß.