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Röderner rettet alte Brunnen

Immer mehr Brunnen fallen trocken. Das liegt am Wetter – aber vor allem an unseren Ansprüchen.

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© Andreas Weihs

Von Birgit Ulbricht

Ebersbach/Großenhain. Sieglinde Klimt kann wieder ruhig schlafen. Die 84-jährige Waldaerin gießt ihre geliebten Rosen, bewässert ihr Gemüse. Einen halben Tag hat das gedauert. Dank Rico Bertram. Der Röderner hat seiner Firma vor zwölf Jahren den fantasievollen Namen „Der Wassergott“ gegeben und wurde dafür anfangs auch belächelt, wenn er mit diesem Schriftzug auf dem Auto übers Land fuhr. Heute ist er für viele Leute die letzte Rettung. Denn es geht ihnen wie Sieglinde Klimt. Ihr Brunnen wurde in den 1930er Jahren gegraben, noch mit Dreibein und Eimern hochziehen. Immer hat es Wasser gegeben. All die Jahre. Doch vor Jahren versiegte das kostbare Nass beim Gießen plötzlich.

Erst als Klimts das Auto vom „Wassergott“ bei Nachbarn auf dem Hof sahen, war der Entschluss gefasst. Der Brunnen musste tiefer gebohrt werden. Für den Röderner kein Problem – wenn er in seinem Terminkalender noch eine Lücke findet. Denn die schneearmen Winter und trockenen Sommer haben dem Brunnenbohrer seit drei Jahren ein Dauer-Auftragshoch beschert. Über die Hälfte davon fällt unter die Rubrik Brunnenrettung. „Das Problem ist, dass weniger Wasser da ist, und unsere Ansprüche an die Ergiebigkeit der Brunnen gestiegen sind“, sagt Bertram. „Früher hat ein Meter gereicht, um die Kuh zu tränken und freitags zu baden“, sagt er.

Brunnen reichen nicht für den Pool

Heute läuft den halben Tag der Rasensprenger. Der Pool wird gefüllt. Den Gartenteich muss vielleicht auch noch gespeist werden und abends huscht man noch mal unter die Außendusche. All das ist heute völlig normal. Aber die alten Brunnen sind dafür nicht ausgelegt, sie reichen bestenfalls acht, neun Meter tief und speichern das einfließende Oberflächenwasser. Da fallen immer mehr alte Brunnen urplötzlich trocken. Betroffen sind alle Orte, so Bertrams Erfahrung. Der Landstrich von Großenhain nach Gröditz, Riesa steht allerdings derzeit besonders oft im Buch.

In Röderau ist es besonders schlimm. Der Grund könnte der Kiestagebau Röderau sein, vermuten viele. Aber auch die vielen neuen Brunnen großer landwirtschaftlicher Beregnungsanlagen könnten – zumindest in Nachbarschaft zum privaten Brunnen – Einfluss auf den Wasserstand haben. Unsinnig ist natürlich, zu vermuten, dass der Brunnen trocken bleibt, weil der Nachbar seinen Rollrasen wässert. Doch solche Nachbarschaftsstreite hat es tatsächlich gegeben. Ist der alte Brunnen aber tiefer gebohrt, läuft es wieder. Manchmal muss Brunnenbauer Bertram dem Wasser allerdings auch nachspüren. Er arbeitet dafür mit einem Fachmann für Geosonar zusammen, der bei steinigem Untergrund seine Prognosen für Wasserfunde abgibt. Denn durch Feld zu bohren ist natürlich zeitraubend. Die Wasser-Trefferquote liegt bei 80 Prozent. „Wir finden zwar immer die Klüftungen, denn dass es im Fels kein Wasser gibt, ist Quatsch, aber manchmal sind sie natürlich auch leer“, erklärt Rico Bertram. Das Bohrwerk arbeitet sich von der Schicht, in der sich Oberflächenwasser sammelt, durch zu darunter liegenden Tonschichten und noch tieferen Wasserleitern. Wie tief an einer Stelle gebohrt werden muss, ist lokal sehr verschieden. Solche Erkundungen sind auch für die Wasserbehörde des Landkreises Meißen interessant. Das Amt braucht die Daten für seine Wasserkarten – Landkarten von Gebirgen, Gefällen, Seen und Tälern – unter der Erde. Sie geben Auskunft, wo Hartgestein lauert oder in welchen Tiefen Wasser zu finden ist. Neue Brunnen zu bohren, dazu wird der „Wassergott“ wohl erst wieder kommen, wenn die größte Hitze vorbei ist.

Rote Flecken am Haus als Signal

Ob sich das lohnt, muss sich jeder selbst überlegen. „Bei einem Tausend-Quadratmeter-Grundstück mit Garage und Haus sicher nicht, aber wer richtig Garten hat oder einen Pool, für den lohnt sich das“, meint Bertram. Wer Waschmaschine oder Toilette damit speist, natürlich über separate Leitungen, der kann richtig sparen. Er bezahlt nur fürs anfallende Abwasser. „Allerdings gibt es Orte, da sollte man das lassen“, so Bertram, „wie in Kalkreuth oder rund um die Mistschänke in Weinböhla“. Dort ist das Wasser derart eisenhaltig, dass es bestenfalls zum Gießen taugt. Und selbst dabei muss man noch aufpassen. Wer den Rasensprenger zu nah ans Haus stellt, könnte eine unliebsame Überraschung in Form von lauter roten Sprenkel an der Fassade erleben, wenn der Rückstand oxidiert. Ein Blick in die Landschaft verrät das auch oft schon. Wenn das Gewässer nebenan dann auch noch „Rote Mutter“ heißt, dann sollte man sich eingängig beraten lassen.