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Rentnerparadies Österreich

Ruheständler bekommen in der Alpenrepublik deutlich mehr Altersgeld als in Deutschland. Was die Nachbarn anders machen bei der Finanzierung.

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© Mauritius

Von Peter Heimann, Berlin

Immer öfter blicken Ältere wie Politiker neidisch ins Nachbarland: Während hierzulande Schreckensnachrichten über angeblich drohende massenhafte Altersarmut die Leute zunehmend verunsichert, gilt Österreich als eine Art Rentnerparadies. Tatsächlich werden dort im Vergleich deutlich üppigere gesetzliche Renten ausgezahlt. Doch wie funktioniert das österreichische Modell? Österreich wendet mehr Geld für die gesetzliche Alterssicherung auf. Und das schlägt sich in den Renten nieder – eine SZ-Analyse.

Rentenhöhe

Die gesetzlichen Altersrenten sind – wie auch die Erwerbsminderungs- und die Hinterbliebenenrenten – jenseits der Grenze deutlich höher als in der Bundesrepublik. Nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung Bund (Jahr 2015) liegt die durchschnittliche Brutto-Rente in Österreich mit 1 231 Euro um ein Drittel über der deutschen Durchschnittsrente, die lediglich 909 Euro beträgt. Österreich zahlt allerdings die Renten 14 Mal im Jahr, sodass sich im Durchschnitt rein rechnerisch dort bei den Altersrenten ein monatlicher Brutto-Betrag von 1 426 Euro ergibt – das sind 58 Prozent mehr als in Deutschland. Bei den Erwerbsminderungsrenten sind es sogar 64 Prozent, bei den Witwen- und Witwerrenten 31 Prozent mehr.

Beiträge zur Rentenversicherung

Dafür müssen Versicherte und Arbeitgeber höhere Beiträge zahlen – im Vergleich etwa 20 Prozent mehr. Deutsche Arbeitnehmer zahlen derzeit 9,3 Prozent von Lohn und Gehalt in die Rentenkasse. Den Kollegen in der Alpenrepublik werden 10,25 Prozent abgezogen. Für deren Chefs ist es allerdings deutlich teurer. Einem Satz von 9,3 Prozent für die Arbeitgeber hier steht ein Wert von 12,55 Prozent in Österreich gegenüber.

Keine Pflegeversicherung

Die Unternehmen in Österreich können sich das auch deswegen eher leisten, weil sie in anderen Sozialversicherungszweigen weniger zahlen als in Deutschland. Zwar ist der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung doppelt so hoch. Dafür fällt für die Krankenkasse nur etwa die Hälfte der deutschen Beiträge an. Eine Pflegeversicherung kennt Österreich gar nicht. Aufwendungen für beide müssen Betroffene teilweise selbst tragen. Außerdem wird Pflegegeld aus der Steuerkasse zugeschossen.

Höhere Steuer auf Renten

Anders als in Deutschland sind beim Nachbarn Renten ganz steuerpflichtig – und zwar mit einem beachtlich hoch beginnenden Eingangs-Steuersatz von 25 Prozent oberhalb eines Freibetrags von jährlich 11 000 Euro. In Deutschland unterliegen nur Teilbeträge (für diesjährige Neurentner 76 Prozent des Rentenzahlbetrags) der Steuer, wobei oberhalb eines Freibetrags von jährlich 9 000 Euro die Steuer mit einem Satz von lediglich 14 Prozent beginnt.

Längere Einzahlungszeit

Der Unterschied beider Rentensysteme beim monatlichen Zahlbetrag fällt zudem geringer aus, wenn man einbezieht, dass man in Österreich mindestens 15 Jahre lang einzahlen muss, bevor man überhaupt eine Rente bekommt. Die Mindestwartezeit in Deutschland beträgt nur fünf Jahre. Das bedeutet: In die deutsche Durchschnittsrente fließen Kleinst-Renten ein, die jemand bekommt, der nur sieben oder acht Jahre einbezahlt hat. Vergleicht man nur Renten, denen mindestens 15 Jahre Beitragszahlung zugrunde liegen, sinkt die Differenz um 100 Euro oder 15 Prozent.

Mehr Einwanderung

Die Österreich-Rente profitiert von der günstigeren demografischen Struktur im Nachbarland. Auf einen Rentner kommen dort 3,4 Personen im Erwerbsalter, in Deutschland sind es 2,9. Der Grund ist die beachtliche Zuwanderung aus Balkanstaaten sowie aus ost- und mitteleuropäischen Ländern, die Österreich laut den deutschen Rentenversicherern in den vergangenen Jahren verzeichnete.

Selbstständige und Beamte

Die Renten-Differenz hat auch damit zu tun, dass Österreich eine echte Volksversicherung hat: Die meisten Erwerbspersonen sind in der gesetzlichen Rentenkasse oder einem System versichert, das dieser entspricht. Schon seit Jahren wird in Deutschland debattiert, ob Beamte, Politiker, Ärzte, Rechtsanwälte und Apotheker in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden sollen. Bisher hat die Politik den enormen Kraftakt gegen massive Widerstände der betroffenen Berufsgruppen gescheut. Auch in Österreich war es umstritten, das Pensionsrecht der Beamten den Regeln der gesetzlichen Rentenkasse gleichzustellen. In Stufen ist dies aber gelungen, sodass für Staatsdiener des Bundes, die nach 1976 geboren wurden oder die nach 2005 den Beamtenstatus erlangten, die gleichen Regeln gelten.

Andere Rentenanpassungs-Regeln

Trotz des höheren finanziellen Aufwandes – Österreich etwa 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, Deutschland um die zehn Prozent – wachsen die Bäume auch dort nicht in den Himmel. Dort folgt die jährliche Anhebung der Zahlbeträge allein der Inflationsrate. Von Erhöhungen, wie sie die deutschen Rentner in den letzten Jahren bekamen, können Ältere in Österreich nur träumen.

Fazit

Betrachtet man nur die Brutto-Renten, sind die in Österreich für die meisten deutlich höher als in Deutschland. Ein differenzierterer Blick zeigt aber, wie grundlegend anders dort die Alterssicherung organisiert ist. Deshalb ist es unmöglich, das Wiener System unbesehen zu übertragen. Eine automatische Blaupause gibt es nicht. Beispielsweise wäre zur Finanzierung vergleichbar höherer Durchschnittsrenten wegen der ungünstigeren demografischen Struktur und weniger Pflichtbeitragszahler hierzulande ein noch höherer Beitragssatz erforderlich als in Österreich. Zudem weiß niemand ganz genau, wie nachhaltig die Rentensysteme organisiert sind.