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Rein in die großen Fußstapfen

Eric Haß wurde in den finnischen Wäldern schnell. Jetzt will der neue DSC-Trainer die Mittelstreckler voranbringen.

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© Ronald Bonß

Von Michaela Widder

Eric Haß fiel schon immer auf mit seinen langen Haaren, selbst dann, wenn er mal wieder hinterherlief. Auch Katja Hermann, die langjährige Lauftrainerin beim Dresdner SC, kannte damals den jungen Burschen aus Zwickau. „Sie hat lange meinen Weg eher mitleidig verfolgt“, erzählt Haß mit Selbstironie. „Als ich es doch noch an die nationale Spitze schaffte, hat mir Frau Hermann dann aber auch mitgeteilt, wie angetan sie davon war.“

Im Mai war Katja Hermann an den Folgen ihrer schweren Krebserkrankung gestorben. Es würde sie sicher freuen, wenn sie wüsste, dass Eric Haß am 1. Juli ihre Trainingsgruppe übernommen hat – sogar eine Vollzeitstelle, finanziert vom sächsischen Leichtathletikverband. Dem 36-Jährigen ist bewusst, wie „groß die Fußstapfen“ sind, die die frühere Langstreckenläuferin in Dresden hinterlassen hat. „Bei ihr ging es sehr familiär zu. Sie hat den Job nie als Beruf, sondern immer als Berufung gesehen, mit viel Herzblut“, meint Haß und sieht schon nach drei Wochen Arbeit, „dass hier menschlich viel gearbeitet wurde.“

Mit Zuckerbrot und Peitsche

Lange und längst gezeichnet von ihrer Krankheit hatte sie ehrenamtlich die Mittelstreckler beim DSC betreut. Ihr bester Athlet, der 1500-Meter-Läufer Jonathan Schmidt, hatte es Anfang Juli zur U-20-WM in Tampere geschafft. Haß will ihre Arbeit fortsetzen, seine eigenen Ideen einbringen, „um Dresden im Mittelstreckenbereich wieder auf die Landkarte zu setzen“. Die letzte internationale Medaille hatte Ellen Kießling, die auch von Hermann betreut wurde, 1990 bei der Europameisterschaft in Split mit Silber über 1500 Meter geholt.

Am Wochenende hat Haß mit seinem neuen Verein die erste Medaille gewonnen. Die U-20-Staffel über 3 x 1 000 Meter holte Bronze in der Besetzung: Jonathan Schmidt, Niklas Härtig und Oliver Rehn. Haß grinst, als er sagt, dass es bei ihm im Training mit Zuckerbrot und Peitsche zugehe. Und er plädiert für ein Handyverbot im Trainingslager. „Wenn es läuft, bin ich tiefenentspannt. Wenn einer querschießt, kann es auch mal über den Platz schallen.“

Haß selbst war ein Läufer, bei dem der Knoten erst spät platzte, der lange hinterherlief, wie er sagt. Doch mit seinem Trainingsfleiß gewann er als 16-Jähriger seine ersten Landesmeistertitel. Der größte Erfolg im Juniorenalter gelang ihm 2003 mit dem deutschen Vizemeistertitel über zehn Kilometer. Am Ende seines Studiums zum Biomedizintechniker in Zwickau war er für seine Diplomarbeit nach Finnland an die Universität Jyväskylä gegangen. Er mag die Natur und die Mentalität der Skandinavier. „Es ist ein Land, in dem nicht übertrieben viel gesprochen wird. Ich brauche auch meine Zeit für mich“, sagt der Trainer, und damals dachte er außerdem: „Wenn Paavo Nurmi in den finnischen Wäldern gut wurde, kann ich es vielleicht auch werden.“ Haß spricht von der finnischen Lauflegende, einem der bedeutendsten Athleten überhaupt, der zwischen 1920 und 1928 neun Goldmedaillen bei Olympia gewann.

Die Trainingspläne bekam Haß von seinem Vater Uwe, wurde aber immer mehr zum Autodidakten. Nach seinem Diplom machte er in Finnland noch seinen Master in Trainingswissenschaften und blieb fünf Jahre im hohen Norden. Während dieser Zeit hatte er sich auf der Marathon-Distanz bis in die nationale Spitze gekämpft, beim Berlin-Marathon 2009 war er mal zweitbester Deutscher in 2:21:39 Stunden. Für einen Start bei einem internationalen Großereignis fehlten Haß drei, vier Minuten.

Als er ein Jahr später zurück nach Deutschland kam, ging er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Uni Halle, nicht zufällig nach Sachsen-Anhalt. Ein Hauptgrund war die damalige Trainingsgruppe vom zweimaligen Olympiasieger Waldemar Cierpinski, zu der dessen Sohn gehörte. „Es war die Zeit, als Falk Cierpinski noch einmal angegriffen hat. Ich habe es dort zwei Jahre versucht.“

2012 war Schluss mit dem Leistungssport. Haß begann, als Regionaltrainer in seiner Heimat Zwickau zu arbeiten. „Dort musste ich Kindern noch beibringen, wie sie ihre Schnürsenkel binden müssen, jetzt kann ich Leistungssport machen.“ Der Schritt nach Dresden fiel ihm trotzdem nicht leicht. Seinen Heimatverein, die SG Vorwärts Zwickau, hatte sein Vater nach der Wende gegründet und aufgebaut. „Somit war das auch ein Stück weit Erbe und Verpflichtung.“ Der Landesverband war im Frühjahr auf den Nachwuchstrainer zugekommen. „Das Angebot aus Dresden konnte ich nicht ausschlagen.“ Zurzeit pendelt er zwischen der Landeshauptstadt und Zwickau, im Herbst will er umziehen.

Privat ist Haß nicht mehr auf Tartanbahnen unterwegs. Seine neuen Herausforderungen sind Bergsteigen und Klettern. Einen Traum hat er sich schon erfüllt, als er an seinen 35. Geburtstag den Gipfel des 6 700 Meter hohen Llullaillaco in Chile bestieg. Im August geht es für zwei Wochen nach Georgien, wo er im Kaukasus einen 5000er erklimmen will. Allein mit seinem Zelt. Dort kann er abschalten und Kraft tanken für die neuen Aufgaben in Dresden.