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Reichstädt wird Pilotschule

Die Grundschule in Reichstädt verstärkt die Inklusion. Das merken die Eltern bei der Schulanmeldung in den nächsten Tagen.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Dippoldiswalde. Der Freistaat Sachsen will Abc-Schützen, die Lernschwierigkeiten haben oder eine besondere soziale Betreuung benötigen, nicht mehr sofort nach der Einschulung an eine Förderschule schicken. Sie sollen künftig die Möglichkeit haben, die Grundschule an ihrem Heimatort zu besuchen. Ob das funktioniert, wird an 17 Pilotschulen in ganz Sachsen getestet, eine davon ist die Grundschule Dippoldiswalde in Reichstädt, wie Schulleiter Jörg Spindler informiert. „In der Umgebung von Dresden sind wir die einzige Schule, die dafür ausgewählt wurde“, sagt er.

Den betroffenen Kindern erspart das weite Schulwege und der öffentlichen Hand Kosten. Die nächste Schule für Kinder mit sozialpädagogischem Förderbedarf steht in Pirna. Jetzt werden die Kinder mit dem Taxi dorthin gefahren. Die Schule für Lernförderung ist in Reinholdshain. Das macht für Dippoldiswalde Kinder jetzt keinen großen Unterschied. Aber wenn sich das System bewährt, würde es ja auf alle Grundschulen ausgeweitet.

Die Schule in Reichstädt hat schon Erfahrung darin, Kinder mit Förderbedarf zu unterrichten. Seit dem Jahr 2000 besuchen Kinder die Schule, die sprachliche Unterstützung benötigen. „Wir haben auch eine etwas andere Unterrichtsmethode. Im Werkstattunterricht werden jeden Tag mindestens zwei Stunden fächerverbindend unterrichtet“, sagt der Schulleiter. Über vier bis fünf Wochen bearbeiten die Grundschüler ein Thema und stellen es aus unterschiedlichen Blickwinkeln dar. Das letzte große Thema vor den Ferien war das Wasser. Damit können die Kinder rechnen, sie können die Eigenschaften des Wassers betrachten und beschreiben. Damit sind dann Fächer wie Mathematik, Sachunterricht oder Deutsch abgedeckt. „Dabei können wir die Kinder individuell betreuen. Das kommt denjenigen mit Förderbedarf entgegen“, sagt Spindler.

Die Grundschule bekommt dafür mehr Ausstattung. Eine zusätzliche Fachkraft wird sich um die Kinder kümmern. Die Lehrer erhalten Fortbildungen und fachliche Begleitung. Die Entscheidung, dass Reichstädt Pilotschule wird, ist im April gefallen. Eltern und Lehrer haben sich gemeinsam dafür ausgesprochen.

Jeanette Spindler, die Leiterin des Förderschulzentrums Osterzgebirge, sieht das mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite sagt sie: „Ich bin für Inklusion, wo immer sie möglich ist.“ In einem anderen Punkt hat sie aber Bedenken. Wenn Schüler doch nicht an der regulären Grundschule zurechtkommen und später an die Förderschule wechseln, kann es zu spät sein. Sie verweist auf wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen Kinder im Alter von fünf bis acht Jahren am besten Lesen und Schreiben lernen. Wenn sie das verpassen, wird es ganz schwierig. „Die Entscheidung muss für jedes Kind individuell getroffen werden“, sagt sie. Diese Aufgabe kommt mit der Schulanmeldung jetzt Anfang September auf Eltern und Lehrer zu.

Danach sammeln die Pilotschulen in Sachsen zwei Jahre lang ihre Erfahrungen. 2022 soll der Landtag entscheiden, wie es weitergeht. Entweder wird das neue Verfahren auf alle Grundschulen ausgeweitet. Wenn es noch nicht ganz überzeugt hat, kann der Pilotversuch verlängert werden. Oder wenn die Erfahrungen schlecht sind, kann der Versuch auch abgebrochen werden.