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Rammenau-Krimi erinnert an die letzte Hinrichtung im Dorf

Vor 200 Jahren starben eine untreu gewordende Ehefrau und ihr Geliebter durch das Richtschwert. Vorausgegangen war ein Giftmord.

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© Steffen Unger

Rammenau. Ohne eine „Actenmäßige Notiz“ vom Dezember 1818 würde es das jüngste Büchlein über Rammenau nicht geben. Horst Gersdorf (1933 bis 2017), Ehrenbürger der Gemeinde Burkau und langjähriger Leiter der Kreisfachgruppe „Ortschronik und Heimatgeschichte“ Bischofswerda, übergab eine Kopie des Dokumentes an das „Heimatkundliche Archiv Bischofswerdaer Land“. Mathias Hüsni, Herausgeber, und Hans-Werner Otto, Redakteur der einmal im Jahr erscheinenden Publikation „Schiebocker Landstreicher“ machten daraus unter dem Autorennamen „Otto Hüsni“ ein sehr lesenswertes Heft von knapp 40 Seiten, das jetzt erschienen ist.

Erzählt wird zunächst die Geschichte, die hinter der vielbeschriebenen n „Rammschen Suppe“ steht. Anfang April 1817 servierte Christiane Dorothee geborene Rischin ihrem Mann Johann Gottlieb Fichte eine Buttermilchsuppe. Tage später starb der Gärtner, der den gleichen Namen wie der berühmte in Rammenau geborene Philosoph trug, aber nicht mit ihm verwandt war. Heftiges Erbrechen ging dem Tod voraus, weshalb den herbeigerufenen Arzt der Verdacht einer Vergiftung beschlich. Er veranlasste eine „gerichtliche Section“. Die dabei gefundenen Überreste einer Substanz erwiesen sich als Arsen. Die weitere Prüfung der Umstände ergab, dass ein Hausgenosse der Fichtes und Nebenbuhler des Hausherren, Gottlieb Kunze, das Gift in einer Apotheke in Bischofswerda besorgt hatte. Es folgten Verhöre und Zeugenbefragungen, in deren Folge Frau Fichte „von der Unruhe ihres Gewissens getrieben, unter Vergießung von Thränen das Geständnis ablegte“. Sie hatte, von Kunze angestiftet, das Gift in die Suppe gemischt. Im September 1817 erging das Urteil, wonach die Zwei aufs Rad gebunden werden sollten. Es wurde später in die Strafe durch das Schwert gemildert. Am 4. Dezember 1818 wurden sie hingerichtet. Es war Rammenaus letzte Hinrichtung. 40 000 (!) Menschen sollen zugesehen haben. Die Richtstätte befand sich im Schaudorf. Dort erinnert eine Tafel an das Geschehen.

Zeitgenössische Zeichnung

Der „Actenmäßigen Notiz“ in dem kleinen roten Heft folgen die von Hans-Werner Otto übertragene Rede, die der Frankenthaler Pfarrers Exner unmittelbar nach der Hinrichtung hielt, und eine detaillierte Beschreibung einer zeitgenössischen Zeichnung durch Mathias Hüsni, welche die Hinrichtung illustriert. Das Bild könnte ein Vorläufer heutige Wimmelbücher sein – so filigran und detailreich ist es. Mathias Hüsni beschreibt unter anderem den „Buhler Kunzen“, die „heimtückische Giftmischerein Christiane Dorotee Fichte“, den Henker und seinen Knecht, aber auch das Richtschwert und eine Reihe von Zuschauern – von einem Kind, das sich verängstigt hinter einem Erwachsenen versteckt, bis zu einem streitenden Paar.

„Jahrhunderte lang wurden in Deutschland und ganz Europa Mörder, Gewaltverbrecher, Diebe, Deserteure, Plünderer „Hexen“,Ketzer und Spitzbuben aller Art öffentlich hingerichtet, häufig auf grausamste Art und Weise“, schreiben die Autoren in einem Nachwort. „Dabei existiert das moralische Gebot: ‚Du sollst nicht töten!` seit Urzeiten.“ Und sie zitieren aus einem Brief, den Cyprian von Karthago um das Jahr 200 schrieb: „Der Mord ist ein Verbrechen, wenn ein einzelner ihn begeht; aber man ehrt ihn als Tugend und Tapferkeit, wenn ihn viele begehen!“ – Was hat die Menschheit in den nachfolgenden 1 800 Jahren dazugelernt?

Das Heft ist aufwendig produziert. Es kostet elf Euro. Verkauft wird es unter anderem in der Bischofswerdaer Buchhandlung Heinrich. (SZ)