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Räuberpistole mit Ohrwurm-Garantie

Hotzenplotz ergaunert sich Omas Kaffeemühle. Am Bautzener Theater wird daraus ein Spektakel für die ganze Familie.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Bautzen. So richtig räuberisch ist Räuber Hotzenplotz so gar nicht zu Mute. Aber was soll man vor lauter Langeweile im Wald auch sonst treiben? Also macht er sich auf den Weg zur Großmutter, um ihre neue Kaffeemühle zu rauben. Die alte, etwas tüddelige Dame freut sich über den Besuch. Es ist ja schließlich ihr Geburtstag. Ihre Enkel Seppel und Kaspar holen schnell noch die Zutaten für den Pflaumenkuchen. Doch der bärtige Dieb will weder Himbeerlimonade noch Geburtstagskuchen. Stattdessen holt er die Pistole hervor und sagt: „Ich bin gefährlich. Alle haben Angst vor mir. Eine Prise Pfeffer gefällig?“. Da rückt die Oma selbstverständlich ihr Geschenk heraus.

Diesen Überfall aber soll der Gauner bereuen, wie die neue Märcheninszenierung am Bautzener Theater zeigt. Die Großmutter jedenfalls ist jetzt gar nicht mehr „gerührt wie Apfelmus“. Stattdessen bleibt sie – wie vom Schurken mit dem großen Bart, den sieben Messern und der Pfefferpistole aufgetragen – auf ihrer Hollywoodschaukel sitzen und zählt bis 1 000. Der Räuber kann sich währenddessen wieder davon machen. In seine Rolle schlüpft Schauspieler Marian Bulang. „Eigentlich ist Hotzenplotz ein leidenschaftlicher Räuber mit gutem Gemüt, aber ein bisschen einsam“, sagt der 43-Jährige. Premiere feierte das Märchen am Sonntag.

Der Kinderbuchklassiker von Otfried Preußler (1923 – 2013) ist Marian Bulang zum ersten Mal bei der Neuverfilmung des Stoffs vor über zehn Jahren mit Armin Rohde aufgefallen. „Ich kannte das Buch nicht aus meinen Kindertagen. Ich baue mir den Hotzenplotz selbst“, sagt der Schauspieler. Im Westen Deutschlands dagegen fehlte die Räubergeschichte in fast keinem Kinderzimmer.

Benannt nach einer Stadt in Mähren

Aufs Papier bringt sie der Kinderbuchautor Anfang der 1960er-Jahre, als er sich monatelang mit den ersten Skizzen zu seinem späteren Erfolgsroman „Krabat“ beschäftigt. Doch die düstere Geschichte vom Zauberlehrling will Otfried Preußler nicht so richtig aus der Feder fließen, also entscheidet er sich, erst mal etwas Lustiges – ein richtiges Kasperstück mit Kasperl, Seppel, Großmutter, Räuber, Polizist, Zauberer und einer Fee – aufzuschreiben.

Kasperl und Seppel kommen übrigens gerade von ihrem Einkauf zurück und finden eine traurige Großmutter vor. Auch die herbeigerufenen Polizisten lassen sich erst mal Zeit bei der Jagd nach der verlorenen Kaffeemühle. Ihnen schlottern beim Gedanken an Hotzenplotz schon die Knie. Da müssen die Buben dem Räuber selbst das Handwerk legen. Mit einer List locken sie ihn aus seiner Räuberhöhle.

Seinen „Hotzenplotz“ nennt Otfried Preußler nach einer Stadt in Mähren, die den deutschen Namen Hotzenplotz trägt und nach 1945 in Osoblaha auf Tschechisch umbenannt wurde. Die Ideen für seine Geschichten kommen aus seiner böhmischen Heimat. Die Großmutter und der Vater erzählen ihm als Kind von Berggeistern, Zauberern, Feen und rauen Burschen wie dem Hotzenplotz mit „einem dicken Bauch, einem zotteligen Bart, einer Pistole und ein bisschen Räuberschläue“. So jedenfalls muss für Marian Bulang ein zünftiger Räuber sein – und er muss es wissen. Vor 13 Jahren war er als Räuberhauptmann Karasek beim Theatersommer zu erleben.

Übersetzt in 34 Sprachen

Auf der Bühne indes hat der Hotzenplotz längst den Plan von Kasperl und Seppel durchschaut und kurzerhand die beiden Jungs einkassiert. Doch ein richtiges Märchen braucht ja nicht nur einen Bösewicht. Beim „Räuber Hotzenplotz“ kommt gleich noch ein zweiter Schurke ins Spiel. Schließlich verkauft der Langfinger Kasperl an den Zauberer Zwackelmann und lässt Seppel für sich in seiner Räuberhöhle arbeiten. Der Hotzenplotz-Erstling von Otfried Preußler wurde in 34 Sprachen übersetzt und über sechs Millionen Mal verkauft. Auch die Theater-Adaption ist ein Erfolgsgarant. Die Bühnenfassung des „Räuber Hotzenplotz‘“ hatte 1969 ihre Uraufführung im Hamburger Theater.

Um die musikalische Gaunerjagd in Bautzen auf die Bühne zu bringen, hat das Haus die Schauspielerin und Theaterregisseurin Franziska Ritter an die Spree geholt. Zuletzt war sie unter anderem im „Tatort“ und im „Polizeiruf“ zu erleben. Seit Beginn der 1990er-Jahre inszeniert sie regelmäßig Kinder- und Jugendstücke.

Auf die Reaktion der kleinen Zuschauer freut sich Marian Bulang schon. „Die Kinder sind die ehrlichsten Kritiker. Wir sind auf ihre Reaktionen gespannt, so bleiben die Vorstellungen frisch“, sagt er. Allein im Dezember wird die Märcheninszenierung 15 Mal zu sehen sein. Der Schauspieler verspricht Spaß für die ganze Familie. Klar ist, die Zuschauer werden nach dem Stück das große Haus mit mindestens einem Ohrwurm verlassen. Für Hotzenplotz aber endet der Kaffeemühlen-Raubzug ganz nach dem Motto „Wer nicht hören will, muss fühlen“ – oder eben wie fast jedes andere Märchen „...und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“.

Der Räuber Hotzenplotz: am 10. Oktober/5. November/6. November jeweils 10 Uhr, am 31. Oktober um 17 Uhr und am 17. November um 19.30 Uhr auf der Hauptbühne des Bautzener Theaters.

www.theater-bautzen.de