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Rätselraten um Muslimbrüder

Die Sächsische Begegnungsstätte in Meißen scheint ihre Aktivitäten verlagert zu haben. Doch der Staatsschutz warnt.

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© Paul Zinken/dpa

Von Peter Anderson

Meißen. Ist es Schludrigkeit geschuldet oder fehlender Zeit? Auf der Internetseite der Sächsischen Begegnungsstätte (SBS) ist immer noch die Adresse Neugasse 26 als Standort einer Meißner Filiale festgehalten. Dort allerdings waren in jüngster Vergangenheit keine Aktivitäten der Organisation mehr zu bemerken.

Ganze vier Seiten hatte der im Juni veröffentlichte Sächsische Verfassungsschutzbericht 2017 der SBS gewidmet. Dessen Verfasser gehen davon aus, dass die Begegnungsstätte von der Muslimbruderschaft beeinflusst wird. Diese wurde 1928 in Ägypten gegründet und gilt als weltweit älteste und einflussreichste sunnitische islamische Bewegung. 2013 wurde die Organisation in Ägypten verboten und als terroristisch eingestuft. Eine Trennung von Staat und Religion lehnt sie grundsätzlich ab. In Deutschland wird die Zahl ihrer Anhänger auf über 1 000 geschätzt.

Aus Baden-Württemberg gibt es unterdessen Hinweise darauf, dass SBS-Geschäftsführer Saad Elgazar seinen Lebensmittelpunkt von Dresden nach Karlsruhe verlagert hat. Das wäre eine mögliche Erklärung für zurückgehende Aktivitäten der radikalen Muslime im Elbland. Einem Bericht des SWR-Fernsehens zufolge soll Elgazar in Rastatt, unweit von Karlsruhe, eine Moschee gegründet haben. Bestätigt wird dies zudem durch einen entsprechenden Eintrag auf der Seite Moscheesuche.de.

Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg vertritt nach Angaben des Senders wie auch Sachsens Staatsschutz die Einschätzung, dass die SBS unter dem Einfluss der Muslimbruderschaft steht. Flüchtlinge, welche in die Rastatter Moschee gingen, könnten dort indoktriniert werden. Ein in die gleiche Richtung weisender Bericht ist Ende August im Badischen Tagblatt erschienen. Die SBS weist solche gegen sie erhobenen Vorwürfe in einem Interview mit dem Südwestdeutschen Rundfunk zurück. Der möglicherweise örtlich verlagerte Schwerpunkt der SBS hat Sachsens Verfassungsschutz dazu veranlasst, seine Recherchen über den Freistaat auszuweiten.

Die Behörde hat eigenen Angaben zufolge weiterhin „Anhaltspunkte“ dafür, dass die Muslimbruderschaft beziehungsweise die mit ihr verbundene Islamische Gemeinschaft in Deutschland versuchen, „Einfluss auf einzelne islamische Gebetsstätten im Freistaat Sachsen zu nehmen“. Diese Angaben sind einer Antwort des Sächsischen Staatsministerium des Inneren auf eine Kleine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Carsten Hütter zu entnehmen. Weiter heißt es, dass Sachsen beim Sammeln von Informationen über islamistische Umtriebe der SBS mit anderen Bundesländern zusammenarbeite. Die konkret vorliegenden Vorwürfe könnten allerdings nicht veröffentlicht werden. Dem stehe der in diesem Bereich gebotene Geheimschutz entgegen. Davon ausgenommen sei lediglich die Parlamentarische Kontrollkommission.

„Aus meiner Sicht ist vor allem problematisch, dass sich der Führungskreis der Sächsischen Begegnungsstätte nicht mit aller Deutlichkeit von der Muslimbrüderschaft distanziert“, so AfD-Politiker Carsten Hütter. Bei ihm sei dadurch der Eindruck entstanden, dass die SBS eine Art legalen Arm der radikalen Muslime bilden solle, um Fördergelder abzugreifen und Flüchtlinge in ihrem Sinne zu steuern.

Wie der in Form einer gemeinnützigen Unternehmergesellschaft organisierte Moschee-Verbund aktuell im Landkreis aufgestellt ist, lässt sich ohne Zugriff auf Insider-Informationen kaum feststellen. SZ-Informationen zufolge orientieren sich Meißner Anhänger der SBS derzeit eher in Richtung Riesa und hoffen, dort Räume zu finden. Immer wieder gibt es zudem Spekulationen über für Gebete und Treffen genutzte Privathäuser und -wohnungen. Oft erweisen sich diese jedoch auch als falsch. Andere Spuren zeigen in Richtung eines verstärkten Engagements in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Beobachter halten dies für durchaus wahrscheinlich.

Offen bleibt die Frage, wie ein solch schneller Netzwerk-Ausbau eigentlich finanziert wird. In einem Hintergrundpapier des Sächsischen Verfassungsschutzberichtes heißt es dazu: „Die Sächsische Begegnungsstätte hat binnen eines Jahres eine fast zweistellige Anzahl an Immobilien, davon sieben in Sachsen, käuflich erworben, gemietet oder langfristig gepachtet und diese jeweils ausgestattet.“ Eine alleinige Deckung dieser Kosten und der jeweils hinzukommenden monatlichen Unterhaltskosten allein aus Spenden scheine unwahrscheinlich.