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Rätselhafter Tod eines Riesenfischs

Spaziergänger entdeckten am Elbufer den Kadaver eines großen Marmorkarpfens. Die Art kommt im Fluss eigentlich gar nicht vor.

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© Leserfoto: Grit Scholz

Von Gunnar Klehm

Krippen. Das war ein aufregendes Ferienerlebnis für Leo. Als er am Ufer der Elbe in Krippen über die Steine sprang, wo sich der Fluss weit zurückgezogen hat, machte er eine faszinierende Entdeckung. Ein riesiger toter Fisch lag vor ihm. Sofort stellte er Fragen. Warum ist der so groß? Was ist das für ein Fisch? Warum ist er tot?

Auf die Fragen ihres Sohnes hatte Mutter Grit Scholz nur wenige Antworten. „Ich vermute, dass es ein Silber- oder Marmorkarpfen ist. Diese Fische sollen in Gewässer eingesetzt worden sein, um als Pflanzenfresser das Wasser zu reinigen“, erklärt die Remscheiderin, die in der Sächsischen Schweiz Urlaub machte, in einer E-Mail an die SZ. Dass diese Karpfen bis zu eineinhalb Meter groß und etwa 50 Kilo schwer werden können, hat sie gehört. Kann das alles stimmen?

Karpfen stammt aus China

Einer, der weiß, wie es den Fischen in der Elbe geht, ist Dr. Gert Füllner, der Referatsleiter Fischerei im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Er bestätigt, dass es sich bei dem toten Fisch auf dem Foto um einen Marmorkarpfen handelt.

Marmorkarpfen stammen ursprünglich aus China. Von dort ist der Fisch natürlich nicht in die Elbe geschwommen. Die Tiere wurden in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts nach Deutschland eingeführt. Sie sind keine Konkurrenz für andere Fische, weil sie Algen und feines Zooplankton als Nahrung nutzen, eine Nahrungsquelle, die sonst kein einheimischer Fisch verwerten kann. Marmorkarpfen können laut Experten bis zu 1,30 Meter lang und 50 Kilogramm schwer werden. „Unter unseren klimatischen Bedingungen können sich Marmorkarpfen aber nicht vermehren“, erklärt Dr. Füllner. Sie seien auch nur in Teichwirtschaften gesetzt worden und niemals in die Elbe.

Wie kommt aber nun das bei Krippen aufgefundene Exemplar in die Elbe? Gert Füllner ist sich sicher, dass der Marmorkarpfen infolge eines Hochwassers in den Fluss gelangt ist. Ob das 2002, 2010 oder 2013 gewesen ist, lasse sich nicht feststellen. „Der Fisch wird aus einer tschechischen Teichwirtschaft entwichen sein, die bei einem der Hochwasser ,übergelaufen‘ ist“, erklärt Dr. Füllner.

Dass der Fisch aus Tschechien stammt, ist nicht nachzuweisen. Schließlich ist der Karpfen einer der Fische, die am häufigsten in Teichen gehalten werden – weltweit. Auch in Deutschland sind sie in sehr vielen Teichen ansässig geworden. In Elbnähe liegen in Tschechien aber tatsächlich solche Zuchtteiche im Hochwassereinzugs- und Hochwasserentstehungsgebiet.

Aber warum ist er gestorben? Hat das mit dem wochenlangen Niedrigwasser in der Elbe zu tun? „Der Fisch ist sicher sehr alt und deshalb wohl eines natürlichen Todes gestorben“, sagt Dr. Füllner. Die Welle eines Schiffes dürfte ihn auf die Steine befördert haben. Das Niedrigwasser und die teilweise extremen Wassertemperaturen in der Elbe in den letzten Wochen sind für die meisten Fischarten aber alles andere als optimal. „Diese Umweltbedingungen dürften einen permanenten Stress für viele Arten bedeutet haben. Fische sind ja wechselwarme Tiere, deren Stoffwechselaktivität von der Wassertemperatur abhängt“, erklärt Dr. Füllner. Bei hohen Temperaturen haben Fische einen hohen Sauerstoffbedarf. Der kann aber immer schlechter abgedeckt werden, weil sich im Wasser mit steigenden Temperaturen immer weniger Gase, damit auch Sauerstoff, lösen können.

Im Hochrhein zwischen dem Bodensee und Basel ist es in diesem Sommer beispielsweise zu einem massiven Fischsterben gekommen. An einem Wochenende sei auf der schweizerischen Seite rund eine Tonne toter Fische eingesammelt worden. Insbesondere habe es Äschen getroffen, die Temperaturen unter 23 Grad bevorzugen. Derzeit liegt die Wassertemperatur vieler Flüsse aber weit darüber.

Für Füchse zu groß

Zum Glück sind größere Fischsterben in der Elbe ausgeblieben. Es ist offenbar genügend Frischwasser nachgeflossen. „Aber für so einen alten Fisch, wie den fotografierten Karpfen, könnten diese suboptimalen Bedingungen der sprichwörtliche Sargnagel gewesen sein“, sagt der Fischerei-Experte.

Für Leo bleibt die Begegnung an der Elbe ein aufregendes Erlebnis, das sein Interesse an der Natur weiter geweckt hat. Warum sich nicht sofort andere Tiere über den Karpfen hermachten, erklärt Dr. Füllner mit der Größe des Fisches: „Die hat verhindert, dass er von Aasfressern wie Fuchs, Krähe oder Möve aufgeräumt worden ist“.