Merken

Rätsel um DDR-Bild im Rathaus

Das großformatige Wandbild des Meißner Künstlers Rudolf Bergander im Eingangsbereich ist seit Jahren verdeckt. Warum?

Teilen
Folgen
© Andreas Weihs/Gerhard Steinecke

Von Marcus Herrmann

Meißen. Viele Besucher des Meißner Rathauses oder Bürger mit einem Anliegen würden wohl selbst auf den zweiten Blick nichts Auffälliges bemerken, wenn sie kurz nach Eintritt ins Rathaus-Foyer zur rechten Seite blickten. Hinter dem bekannten Helmkasuar aus Meissner Porzellan befindet sich eine große weiße Wand – und sonst nichts. So scheint es zumindest. Wer aber etwas näher tritt, erkennt, dass ein weißer Rahmen einen Großteil der eigentlichen Wand verdeckt.

Doch was befindet sich hinter der Verkleidung? Das fragte sich auch die Meißnerin Marianne Horns. Aufklärung brachte ein Gespräch mit einem Kunstexperten aus Berlin. „Ich war im Januar bei einer Vernissage von Holger John in Dresden mit dem Titel ‚Schnee von Gestern: Kunst vor 1989‘“, erzählt Horns. Im anschließenden Gespräch mit besagtem Freund sei sie nach Meißens verhangenem Bild im Rathaus gefragt worden. Es solle sich im Eingangsbereich befinden, jedoch verdeckt sein. „Dabei handelt es sich um ein Wandbild des Meißner Künstler Rudolf Bergander“, sagt Horns. Auf Nachfrage von kunstinteressierten Bürgern bei einer Stadtführung habe sich keine fundierte Erklärung dafür gefunden, warum das Bild verhangen wurde. Man warte darauf, dass der Rahmen verschwinde, hätte es sogar geheißen.

„Zwischenzeitlich habe ich von Freunden, die bei der Restaurierung des Rathauses mit gewirkt haben, erfahren, dass das Wandbild darunter noch erhalten ist. Sicher gab es Gründe, dieses Bild zu verdecken, aber vielleicht ist es an der Zeit, dem Meißner Künstler im Rathaus einen Platz zu geben“, regt Marianne Horns an. Immerhin würde der einstige Rektor der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Rudolf Bergander, im Mai 2019 seinen 110. Geburtstag feiern. Die Existenz des Bildes wird vom Meißner Rathaus bestätigt. Laut dem Buch „Unser Meißen – 1929 bis 2004“ von Herausgeber Gerhard Steinecke wurde das Bild 1949 an die Wand der heutigen Eingangshalle gebracht.

Es solle die Macht der Arbeiter und Bauern symbolisieren, die von der Arbeiterklasse im Bündnis mit der Intelligenz geführt wurde. Zu sehen ist eine farbintensive Darstellung von mehreren Personen in verschiedenen Szenarien. So gibt es neben einer Szene von Arbeit auf dem Feld einen runden Tisch, an dem debattiert wird. Einen Bezug zur Stadt Meißen gibt es nicht.

Auf eine Nachfrage der SZ, was es mit dem Bild auf sich hat und ob es verhängt bleibt, hat sich das Presseamt bei Stadtarchitekt Georg Krause informiert. „Nach seiner Auskunft waren die Umbauarbeiten des Eingangsbereichs darauf ausgerichtet, den spätmittelalterlichen Charakter des Gebäudes bzw. des Innenraums wieder stärker sichtbar zu machen. Dazu war es erforderlich, die baulichen Überformungen der 1930er und 1940er Jahre zu entfernen. In diesem Kontext wurde auch darüber beratschlagt, wie mit dem titellosen Wandgemälde von Rudolf Bergander verfahren werden soll“, erläutert Mitarbeiter Michael Eckardt.

Man habe sich für den Erhalt des auf den Wandputz aufgetragenen Gemäldes entschieden. Laut Georg Krause blieben inhaltliche Auseinandersetzungen mit dem Bild aber aus, „sodass es seit der abgeschlossenen Umgestaltung des Rathaus-Foyers 2007 in gutem Zustand durch eine Schutzkonstruktion abgedeckt wird.“ Mit der baulichen Umgestaltung des Foyers sei die ursprünglich angedachte Raumwirkung obsolet. Mit der jetzigen Lösung könne das Foyer für Wechselausstellungen genutzt werden, wofür ein Aufhängesystem installiert wurde. „Nach Auskunft von Georg Krause ist das Wandbild aus der Einhausung jederzeit mit Anstand wieder hervorholbar. Ein gesteigertes Interesse von Besuchern des Rathauses, das Gemälde von Rudolf Bergander betrachten zu wollen, konnte bislang nicht festgestellt werden“, sagt Michael Eckardt.