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Radio aus dem Kinderzimmer

Familie Mattje aus Kittlitz sendet selbst übers Internet. Fans und Zuhörer haben sie weltweit.

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© Matthias Weber

Von Romy Altmann-Kühr

Kittlitz. Das Schild über der Zimmertür leuchtet: „On Air“ steht in schwarzen Buchstaben auf dem weißen Untergrund. Und: „4Reasons Radio“. Macht man die Zimmertür auf, weiß man, warum. Das ehemalige Kinderzimmer in der Kittlitzer Neubauwohnung ist voller Technik und beherbergt eine riesige Musiksammlung. Mehrere Bildschirme und Tastaturen, ein Bord mit Reglern und zwei Mikros – so stellt man sich ein Radiostudio vor. Und hier wird tatsächlich Radio gemacht. Seit sechs Jahren senden Hans-Jörg Mattje und seine Frau Regina regelmäßig aus ihrem kleinen Studio in der Kittlitzer Mietswohnung. Sie machen mit beim Sender „4Reasons Radio“. Das ist ein privater Internetradiosender. Seinen Sitz hat er in Solingen, mehrere Sendestudios sind über ganz Deutschland verteilt. „Der Osten ist aber stärker vertreten“, erzählt Hans-Jörg Mattje. Das nächste Studio ist zum Beispiel in Bautzen. Die Betreiber der Sendestudios machen das, wie Familie Mattje, als Hobby, bekommen keinen Cent dafür. Rund um die Uhr wird Musik abgespielt, regelmäßig werden Sendungen von den Hobby-Moderatoren gestaltet und live moderiert. Dafür gibt es einen Sendeplan. Das Moderatorenteam der Hobby-Radiomacher ist gemischt, der älteste Mitstreiter über 70. An einem seiner Bildschirme kann Hans-Jörg Mattje sehen, von wo aus die Hörer sich einloggen. Und das ist tatsächlich weltweit. Jetzt grade hört einer auf den Philippinen mit. Auch Peru, Italien, USA und viele weitere Länder stehen auf der Liste. Die Familie hat selbst einen entfernten Verwandten in Brasilien. Daher wissen sie: Gerade in Südamerika leben viele Deutsche, die gern bei ihnen reinhören. „Der Vorteil ist ja, dass man uns übers Internet auf der ganzen Welt hören kann, nicht nur in einer bestimmten Region.“

Inzwischen klappt es auch mit der Technik. Das war nicht immer so. Als Mattjes mit dem Radiomachen anfingen, war die Internetverbindung in Kittlitz noch nicht so schnell und stabil. Da kam es vor, dass mitten in der Live-Sendung die Verbindung abbrach. Zu Hobby-Radiomachern wurden Mattjes, als sie das Team des Bautzener Studios kennenlernten. Hans-Jörg Mattje machte zunächst als Promoter mit, traute sich aber später selbst ans Mikro. Er steckte seine Frau mit der Radio-Leidenschaft an, ebenso wie den Nachwuchs. Der 16-jährige Sohn macht als Junior-Moderator mit.

Hans-Jörg Mattje gestaltet am Liebsten Sendungen zu bestimmten Jahren. Zusätzlich zur Musik recherchiert er Anekdoten und baut sie in seine Moderation ein. Kürzlich hat er eine ganze Sendung mit Musik aus seinem Geburtsjahr 1958 gestaltet. Auf Flohmärkten und Sammlerbörsen sucht der Hobby-Radiomacher oft nach solcher speziellen Musik. „Früher haben wir die alten CDs ausgemistet“, sagt er. „Jetzt suchen wir wieder danach.“ Seine Frau spielt am liebsten Schlager und volkstümliche Musik – auch von Oberlausitzer Künstlern. „Kathrin und Peter sind bei mir immer im Programm“, erzählt die 55-Jährige. Sie ärgert sich, dass generell im Radio nur wenige regionale Künstler zu hören sind. Zum Tag der Oberlausitz im August gestalten Mattjes regelmäßig eine Sondersendung mit Künstlern aus der Oberlausitz. Das heißt nicht, dass Musik in Mundart gespielt wird. „Es gibt hier mehr Künstler, als man denkt“, sagt Hans-Jörg Mattje. Er nennt etwa die Löbauer Band Stereo Pilot. „Und Silbermond sind ja auch Oberlausitzer“, so Mattje. „Da man uns in ganz Deutschland und der Welt hören kann, machen wir damit auch die Oberlausitz bekannter“, sagen die Kittlitzer. Rund 135 000 Musiktitel hat die Familie in ihrer Musikbibliothek. „Wir können fast jeden Wunsch erfüllen“, ist Vater Hans-Jörg sicher. Selbstverständlich zahlen sie dafür Gema-Gebühren. Auch für die Software, die sie nutzen, fallen Gebühren an. „Das ist ein teures Hobby“, sagt Hans-Jörg Mattje. Am meisten daran gefällt ihm der Kontakt zu den Hörern. „Man bekommt viele Rückmeldungen.“ Manche seien auch sehr dankbar für die Unterhaltung. Und für den 50-Jährigen, der in einem Behindertenheim arbeitet, ist das Radio-Hobby ein Ausgleich. „Auf Arbeit geht es oft turbulent zu. Da kann ich hier in meinem Studio gut abschalten.“

Erst gestern ist Hans-Jörg Mattje „On Air“ gewesen. Unter seinem Moderatoren-Spitznamen „Mattjeshering“ gestaltete er eine Sendung zum Thema 1983. Sohn Gabriel wird seine nächste Livesendung am 31. Oktober moderieren – ein Halloween-Spezial. Da gibts dann ganz viel Gruselmusik zu hören.

www.4reasons-radio.de