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„Radeberg passt perfekt“

Bianca Reich startet am Mittwoch als neue Kämmerin. Im SZ-Gespräch verrät sie, was sie an der Bierstadt begeistert.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Radeberg. Ab Mittwoch ist sie die Chefin über Radebergs Finanzen: Bianca Reich. In den vergangenen gut 20 Jahren war sie bei zahlreichen Unternehmen als Expertin fürs Thema Finanzen tätig. Für Versicherungsunternehmen stellte sie zudem betriebswirtschaftliche Analysen auf. Bianca Reich tritt dabei die Nachfolge von Sven Lauter an, der bekanntlich gut dreihundert Meter Luftlinie vom Rathaus ins Chefbüro der städtischen Wohnbau wechselt. Im Stadtrat hat er sich jetzt verabschiedet: „Ich weiß, dass ich bei der Wohnbau in große Fußstapfen trete, aber das kenne ich ja, denn auch hier als Kämmerer waren es große Fußstapfen, die ich ausfüllen musste.“ Und auch Bianca Reich weiß, dass sie eine gut funktionierende Abteilung übernimmt, sagt sie im Gespräch mit der SZ:

Frau Reich, der Stadthaushalt für dieses und nächstes Jahr ist längst beschlossen, Mitte des Jahres wird Radeberg schuldenfrei sein. Ist das nicht ein langweiliger Zeitpunkt als Start für eine neue Kämmerin?

Also ich kann mich über Langeweile nicht beschweren. Im Moment sind zum Beispiel die Wirtschaftsprüfer hier im Haus und prüfen die Eröffnungsbilanz, die zum 1.1. 2013 zu erstellen war – damals begann ja die sogenannte doppische Haushaltsführung, mit der die Stadt ja sozusagen für jedes Gebäude, jede Straße und jede Brücke und jedes Feuerwehrfahrzeug Geld ansparen muss, Erträge erzielen muss, um das Ganze regelmäßig ersetzen zu können.

Die Eröffnungsbilanz legt also sozusagen fest, wie viel Radeberg wert ist?

So könnte man es nennen. Wobei es natürlich schwierig ist, einen Wert zum Beispiel für das Rathaus oder Schulen festzulegen, die ja praktisch nicht verkauft werden können – und zudem ist die Frage zu stellen, wie man speziell für diese Gebäude oder auch für Straßen konkrete Erträge erzielen soll. Schließlich müssen wir mit den uns anvertrauten Steuermitteln wirtschaftlich das Vermögen unterhalten. Es ist jedenfalls eine sehr spannende Prüfung …

Sie kommen aus der freien Wirtschaft – was ist der Unterschied zur öffentlichen Verwaltung?

Bis zur erwähnten doppischen Haushaltsführung hätte ich gesagt, es ist eine andere Welt, den Haushalt einer Stadt zu führen, als den eines Unternehmens. Aber seit eben die Kommunen in Sachsen doppisch haushalten, so wie es ja eben auch die Unternehmen tun, die für jede Maschine Abschreibungen zurücklegen, um immer aktiv bleiben zu können, immer ausreichend investieren können, seit nun also auch Kommunen so arbeiten, ist das gar nicht mehr so weit auseinander. Im Gegenteil, es ist, so glaube ich, sogar richtig gut, sich Leute wie mich aus der freien Wirtschaft zu holen, die über viele Jahre schon so gearbeitet haben. Und es stehen ja noch Veränderungen an, in die ich meine Erfahrungen wunderbar einbringen kann.

Nämlich?

Im Zuge der Harmonisierung des europäischen Steuerrechts gibt es ab 2020/21 umfangreiche Änderungen in der Behandlung aller Tätigkeiten einer Kommune. Der Verkauf von Wanderkarten und Bierkrügen im Bürgerbüro oder die Unter-Vermietung von Turnhallen und anderer kommunaler Räumlichkeiten – alle Dienst-Leistungen werden auf den Prüfstand gestellt, ob dafür zukünftig Umsatzsteuer durch die Verwaltung zu entrichten ist und dafür im Gegenzug ein Vorsteuerabzug möglich ist. Viele Bereiche werden mit dieser Änderung zukünftig wie privatwirtschaftliche Marktteilnehmer behandelt. Das führt zu umfangreichen internen und auch externen Anpassungen der Buchhaltung, um diesen Anforderungen künftig gerecht zu werden.

Bis 2021 ist noch eine Menge Zeit …

Könnte man sagen – ich halte es aber für gefährlich, Dinge zu lange vor sich herzuschieben. Unter Zeitdruck entsteht nicht immer nur Gutes. Wir müssen da ein Controlling aufbauen, wie es in der Wirtschaft heißt – also Mechanismen, die Planung, Steuerung und Kontrolle gewährleisten sollen. Es ist meiner Meinung nach nie gut, mit Provisorien zu starten. Der Freistaat hat schon jetzt eine sogenannte Freiwilligkeitsphase auf den Weg gebracht. Heißt, Kommunen können das Thema Umsatzsteuer schon mal ausprobieren. Ich denke, wir sollten das nutzen – und wir sollten schon jetzt darüber reden. Denn das wird eine wirklich einschneidende Veränderung, da müssen wir alle Bereiche und alle Mitarbeiter mitnehmen. Kommunikation ist mir überhaupt sehr wichtig.

Besteht nicht die Gefahr, wenn zu viele Leute mitreden, dass Dinge zerredet werden?

Meine Erfahrung ist, dass man Mitarbeiter nur dann erfolgreich mit auf einen Weg nehmen kann, wenn man ihnen erklärt, warum man sich auf diesen Weg macht und was das Ziel ist. Aber natürlich muss zuvor – sozusagen intern – geklärt werden, mit welchem Konzept man starten will.

Hat es Sie eigentlich überrascht, wie gut Radeberg in Sachen Finanzen da steht? Dass die Stadt in den vergangenen Jahren einen enormen, über 30 Millionen Euro großen, Schuldenberg abbauen und trotzdem kräftig investieren konnte? Und nun wie erwähnt, sogar schuldenfrei werden will …

Nein, überrascht hat mich das nicht. Ich stamme ja aus dem Raum Dresden, kenne natürlich auch Radeberg. Ich weiß, dass sich die Region Dresden wirtschaftlich richtig gut entwickelt hat – und dass Radeberg ein Wirtschaftsstandort mit Tradition ist. Ich denke, gerade das Thema Tradition ist bei der Wirtschaft sehr wichtig.

Wie meinen Sie das?

Nun, wenn Firmen verwurzelt sind, dann haben sie auch immer ihren Standort im Blick. Sie kennen das Potenzial und wissen es zu nutzen – zum Beispiel beim Thema Fachkräfte. Und sie geben eben auch mal etwas an den Ort zurück. Und auch die Orte lassen sich natürlich viel stärker auf die Bedürfnisse oder Befindlichkeiten dieser Unternehmen ein, leben mit Lieferverkehr zum Beispiel. Ein Geben und Nehmen. Wobei solche traditionellen Wirtschaftsstandorte dann natürlich auch immer wieder Neues anziehen. So wie in Radeberg eben. Das Ergebnis spiegelt sich in der Arbeitslosenquote von etwa vier Prozent wider, eine der niedrigsten Quoten in Ostdeutschland.

Apropos Radeberg: Wie sind Sie denn auf die freie Stelle in Radeberg aufmerksam geworden?

Ich habe über 20 Jahre lang in der freien Wirtschaft gearbeitet, habe betriebswirtschaftliche Analysen für Firmen in der Versicherungsbranche erstellt, habe die Finanzflüsse überwacht. Dafür war ich in ganz Deutschland unterwegs, habe häufig und regelmäßig meinen Wohnort gewechselt. Nun wollte ich mich einfach mal wieder näher in meine Heimatregion Dresden orientieren, auch weil es für meine Tochter durchaus wichtig ist, die Großeltern in der Nähe zu haben. Zudem habe ich eine neue berufliche Herausforderung gesucht. Also schaut man sich da natürlich auch entsprechend nach freien Stellen um – und Radeberg passte da perfekt.

Haben Sie sich die Stadt vor Ihrer Bewerbung mal sozusagen „inkognito“ angeschaut?

Naja, ich kannte Radeberg ja. Allerdings vor allem sozusagen aus der Touristenbrille. Ich war schon bei einer Brauereiführung gewesen – und auch im Schloss Klippenstein. Aber ich bin tatsächlich noch mal mit meiner Tochter an einem Sonntag hergefahren, wir haben auf dem Marktplatz ein Eis gegessen, sind ins Hüttertal gewandert – und dabei an der Schlossmühle vorbeigekommen, wo uns der Schlossmüller superfreundlich alles gezeigt hat. Auch den schicken Raum, in dem man zum Beispiel Kindergeburtstage feiern kann. Das hat meine Tochter natürlich begeistert.

Bevor Sie ab Mittwoch offiziell im Amt sind, haben Sie sich ja schon einige Wochen eingearbeitet. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Entscheidung, nach Radeberg zu kommen?

Absolut. Ich fühle mich sehr wohl hier, ich finde die Themenvielfalt meiner Arbeit und die Gestaltungsmöglichkeiten hier wunderbar. Und ich bin beeindruckt von der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter hier im Haus. Wir werden ein gutes Team, davon bin ich überzeugt.