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Quietschebunte Plastikwelt

In Berggießhübel ruhen die Spritzgießmaschinen fast nie. Die Firma Bergi-Plast verschließt Tuben und Dosen europaweit.

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© Daniel Schäfer

Von Franz Werfel

Berggießhübel. Was haben Tomatenketchup, Spülmaschinenreiniger, Creme- und Zahnpastatuben sowie Scheibenreiniger gemeinsam? Ganz einfach: Viele dieser Produkte haben Verschlusskappen aus Plastik, die in Berggießhübel hergestellt werden. „Es ist mein Ansporn, dass unsere Produkte in jedem deutschen Haushalt vorkommen“, sagt Bergi-Plast-Chef Ronny Epperlein. Unrealistisch ist der Wunsch des 52-Jährigen nicht, auch wenn 70 Prozent der Teile in den europäischen Export gehen und nur ein knappes Drittel in Deutschland bleibt.

Der Stoff, aus dem der Alltag gemacht ist: Kunststoff-Granulat wird zu verschiedensten Produkten weiterverarbeitet.
Der Stoff, aus dem der Alltag gemacht ist: Kunststoff-Granulat wird zu verschiedensten Produkten weiterverarbeitet. © Daniel Schäfer
Portfolio: Sonnencreme, Reiniger und Ketchup haben Verschlüsse von Bergi-Plast.
Portfolio: Sonnencreme, Reiniger und Ketchup haben Verschlüsse von Bergi-Plast. © Daniel Schäfer
Auch Spezial-Verschlüsse mit Gummi-Dichtungen beherrscht die Firma.
Auch Spezial-Verschlüsse mit Gummi-Dichtungen beherrscht die Firma. © Daniel Schäfer

500 Millionen Plastik-Verschlüsse produziert Bergi-Plast in jedem Jahr: für Kosmetik-Hersteller, Lebensmittelfirmen oder die Putzmittel-Industrie. 140 Mitarbeiter hat das Unternehmen mittlerweile, im vergangenen Jahr erwirtschafteten sie einen Umsatz von 23 Millionen Euro. Epperlein beschäftigt Verfahrensmechaniker für Kautschuk- und Kunststofftechnik, Werkzeugmacher und Mechatroniker. „Wer unsere Maschinen bedient, kann Autos spielend auseinandernehmen“, sagt er mit Blick auf die Ausbildung der eigenen Belegschaft. Wobei auch Bergi-Plast einen Teil des Umsatzes als Zulieferer für die Automobilindustrie generiert. Denn produziert wird nicht nur im Berggießhübler Stammhaus, sondern auch in einem zweiten Werk in Dohma. „Dort stellen wir vor allem technische Kunststoffe her, nutzen andere Technik und arbeiten beim Spritzen der Kunststoffe mit Temperaturen jenseits der 250 Grad Celsius.“

In Dohma entstehen zum Beispiel Plastikteile, die später in Sicherheitsgurten verbaut werden. Auch an den Stoppern, die dafür sorgen, dass die Gurte blockieren, sobald sie ruckartig gezogen werden, ist Bergi-Plast beteiligt. „Das sind natürlich sensible Produkte, weil sie für die Sicherheit in den Autos wichtig sind“, sagt Epperlein.

Umweltschutz ist ein Thema

Der gebürtige Bahraer hat an der Technischen Universität in Chemnitz Maschinenbau studiert. Er war im Automobilsektor tätig, hat in Indien und China gearbeitet. 2009 kam er zu Bergi-Plast, das ihm aus Kindertagen bekannt ist – sein Vater Rolf Epperlein hat die Firma in der DDR zeitweise als Betriebschef geleitet und war nach der Reprivatisierung 1991 bis 2009 deren Geschäftsführer. Diese Position hat seit fünf Jahren Sohn Ronny inne, seit 2015 ist er als geschäftsführender Gesellschafter auch direkter Teilhaber.

Das Rezept für den Erfolg sind neben jahrelangen treuen Kundenbeziehungen – etwa zum Lebensmittelhersteller Werder Feinkost aus dem gleichnamigen Ort an der Havel oder zum Würzburger Kosmetik-Hersteller Kneipp – die eigenen Werkzeugbauer. Es komme vor, so Epperlein, dass einzelne Maschinen für nur ein Produkt umgebaut werden. Dann läuft die Maschine mal eine Stunde und muss gleich wieder verstellt werden. Das sei eine Stärke des eigenen Hauses: „Wir können auf Kundenwünsche flexibel reagieren, können alle Farben anbieten und auch kleine Margen herstellen“, so Epperlein. Um das leisten zu können, hat Bergi-Plast eine eigene Werkstatt für die Werkzeugmacher und bildet in dem Beruf auch selbst Lehrlinge aus.

Ronny Epperlein ist in der Region verwurzelt. Als Vorstand engagiert er sich ehrenamtlich für den Kindergarten „Haus des Kindes“ in Bad Gottleuba. Um seine Mitarbeiter langfristig an die Firma zu binden, übernimmt Bergi-Plast zum Beispiel die Kita-Gebühren,und bietet vergünstigte Massagen an. Im Winter will er in das historische Hauptgebäude in Berggießhübel ein kleines Fitnessstudio einbauen.

Wie geht man als Plastik-Hersteller damit um, dass die Vermüllung von Land und Meer, gerade auch mit Plastik, zunehmend stärker ins öffentliche Bewusstsein rückt? „Es stimmt, die Umweltaspekte werden immer wichtiger“, sagt Ronny Epperlein. Er hat das auf dem Schirm. So ist seine Firma Teil der Initiative „Null-Granulat-Verlust“, die sich vorgenommen hat, den Kunststoff-Rohstoff nicht zu verschwenden. 3 000 Tonnen Granulat verarbeitet Bergi-Plast in jedem Jahr, der Rohstoff kommt aus Tschechien, Frankreich oder von der deutschen BASF – da kann Sparsamkeit nicht schaden. Mit der Abwärme, die beim Kunststoff-Gießen entsteht, heizt Epperlein seine Firma. Offen ist er für neue Entwicklungen, etwa bei kompostierbaren Kunststoffen oder solchen auf Basis von Lebensmittelstärke. All das gibt es schon und es wird mehr, ist er sich sicher.

Wachstumsbremse Internet

Zuversichtlich blickt der Firmenchef in die Zukunft, im Verschluss-Markt sieht er noch Wachstumspotenzial. Um auch künftig eine führende Rolle auf dem Markt spielen zu können, will er sich noch mehr Zeit für Innovationen nehmen und weiterhin eigene Verschlüsse entwickeln. Die Voraussetzungen dafür hat er schon geschaffen, etwa mit einem hohen Digitalisierungsgrad in seinem Betrieb. Seit zehn Jahren optimiert er die digitalen Abläufe aller Prozesse bei Bergi-Plast.

Aber in genau diesem Punkt liegt auch eine der größten Schwierigkeiten. „Bei uns im Ort liegt kein schnelles Internet an“, sagt Ronny Epperlein. Also hat er das Problem selbst gelöst: Er lässt sich sein Internet via Richtfunk von der Fabrik in Dohma ins Gebirge schicken. Dafür hat der Firmenchef extra vier Funkfrequenzen beim Bund beantragt. „Diese Technologie kostet richtig viel Geld, aber anders wusste ich mir nicht mehr zu helfen.“