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Prosit Wilsdruff

Am Freitag steht die zehnte Kneipennacht an. Danach wird in der Stadt einfach weiter gefeiert.

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© Andreas Weihs

Von Maik Brückner

Wilsdruff. Seinen 60. Geburtstag wird Bernd Lehmann nicht vergessen. Den feierte der Wilsdruffer Drogist im Kellergewölbe seines Wohn- und Geschäftshauses auf der Dresdener Straße. „Sie glauben nicht, wie aufwendig es war, dieses freizuräumen“, erzählt er. Denn im Laufe der Jahrzehnte hatte sich dort einiges angesammelt. Das zwölf Meter lange Tonnengewölbe wurde als Kohlen- und Kartoffelkeller, aber auch als Lager der Drogerie genutzt. Bis heute kann er sich nicht erklären, wie die großen Sandsteinblöcke dort runtergekommen sind. „Wir mussten sie zersägen und hochtransportiert“, erzählt er. Am Ende waren es 30 Tonnen Sandstein. Danach hat er den Keller vorgerichtet und mit einem Steinboden versehen. Entstanden ist ein Raum mit einer echt urigen Atmosphäre.

© Grafik: SZ

Von der aufwendigen Sanierung profitieren die Wilsdruffer. Denn längst wird der Keller auch öffentlich genutzt, für Buchlesungen, Kabarettvorstellungen und Konzerte. Das Nächste steht am Freitagabend an. Der Leipziger Countrysänger Thomas Spillner wird hier musizieren. In Wilsdruff ist dieses Konzert längst kein Geheimtipp mehr. Denn Countrymusik gibt es hier bereits zum zehnten Mal. Denn genauso oft feierte die Stadt eine Hof- und Kneipennacht. Entstanden ist diese Veranstaltung im Zusammenhang mit der 750-Jahr-Feier 2009. „Damals kamen wir darauf zu sprechen, wie viele Kneipen es früher in Wilsdruff gab“, erinnert sich Bernd Lehmann. Deren Zahl nahm von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ab. In den 1950er- und 1960er-Jahren gab es zwischen 17 und 20. Als Lehmann 1978 nach Wilsdruff zog, waren davon nur sechs übrig geblieben . Und 2009 gab es vier. Stadtverein und Gewerbeverein nahmen das Stadtjubiläum zum Anlass, an die einstige Kneipenvielfalt zu erinnern. Frühere Kneipen sollten – so der Plan – wenigstens für einen Abend wieder öffnen, erzählt Bernd Lehmann. Er selbst fand die Idee gut, hatte aber keine alte Kneipe zu bieten, dafür aber den Gewölbekeller.

Die Organisatoren der Hof- und Kneipennacht sahen keinen Grund, das Angebot auszuschlagen. Und so öffneten die Lehmanns 2009 ihren Keller für die breite Öffentlichkeit. Die erste Hof- und Kneipennacht lief gut, erinnert sich Bernd Lehmann. Deshalb beteiligte er sich auch an den Folgenden. Die Regie im Keller wird wieder seine Frau Marita führen, während draußen vor dem Haus Tochter Katja mit ihren Freunden die Gäste bewirten wird. Um den Andrang zu bewältigen, wird vor dem Haus ein Bierwagen stehen. Dort gibt es Bier und auch selbst gemachte Bowle. Die Fleischerei Roß auf der gegenüberliegenden Straßenseite bietet Grillspezialitäten an und ein DJ sorgt für gute Stimmung. Die gibt es an neun anderen Stationen im Stadtgebiet. „Jeder bietet etwas anderes an“, sagt Katja Lehmann. Das mache die Wilsdruffer Kneipennacht aus.

Diese ist der Auftakt zum Stadtfest, das am Sonnabend mit der Operettengala der Elbland Philharmonie Sachsen seinen kulturellen Höhepunkt erreicht, sagt Bernd Lehmann. Das Konzert steht unter dem Motto „Wein, Weib und Gesang“ und ist ab 19 Uhr auf dem Wilsdruffer Markt zu erleben. „Die Akustik ist wunderbar“, schwärmt Tochter Katja. Doch bevor sie sich der heiteren Muse zuwendet, will sie mit den Wilsdruffern feiern. „Das Schöne an der Kneipennacht ist, dass nicht nur die mittlere Generation teilnimmt, sondern auch die junge“, sagt Mutter Marita. Nicht selten trifft man Bekannte, die man ewig nicht gesehen hat. Und Bernd Lehmann könnte wetten, dass er auch in diesem Jahr wieder auf die Frage: Warum heißt euer Keller „Sächsisch-preußischer Gewölbekeller?“ antworten muss. Hier wurde kein historisch wichtiger Vertrag unterzeichnet, versichert er. Der Name rührt aus der Lehmann’schen Familiengeschichte. Seine Frau stammt aus Dittmannsdorf in Sachsen, er aus dem brandenburgischen Lauchhammer. Weil man immer noch glücklich verheiratet ist – in diesem Jahr jährt sich die Eheschließung zum 40. Mal – lag es nahe, den Keller so zu benennen.