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Probier-Werkstatt gegen Fachkräftemangel

Riesas Handwerker wollen eine Möglichkeit zum Experimentieren schaffen. Eine andere Idee betrifft das alte Rittergut.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. An Optimismus fehlt es dem Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft nicht. „Ich habe das Gefühl, dass wir eine kleine Schatztruhe gefunden haben“, sagt Jens-Torsten Jacob Ende September im Riesaer Berufsschulzentrum (BSZ). Anfang des Jahres hatte der Verband die Initiative „Innovation im Handwerk“ gestartet. Das Ziel: Neue Ideen ins Handwerk bringen. Neue Geschäftsmodelle, neue Arbeitsabläufe, neue Mittel, um Nachwuchs zu gewinnen. Im BSZ stellten die Beteiligten die ersten dieser Ideen vor.

Das Rittergut gegenüber der Studienakademie könnte in ferner Zukunft die Innovationsakademie beherbergen, einen Mischbau zum Wohnen, Lernen, Forschen und Arbeiten.
Das Rittergut gegenüber der Studienakademie könnte in ferner Zukunft die Innovationsakademie beherbergen, einen Mischbau zum Wohnen, Lernen, Forschen und Arbeiten. © Sebastian Schultz

Während vieles davon noch im Werden ist, war ein Vorhaben schon recht konkret: In Riesa soll ein sogenanntes Fab-Lab entstehen. Das Wort ist eine Abkürzung für das englische Wort „Fabrication Laboratory“. Zu Deutsch lässt sich auch offene Werkstatt dazu sagen. Der Grundgedanke ist leicht zusammengefasst. Statt nur den Mitarbeitern, steht das Fab-Lab jeder Privatperson zur Verfügung. So soll es auch in Riesa sein, erklärt Jens-Torsten Jacob. Wer eine gute Idee hat, aber kein Werkzeug, der kann sich einfach in den Räumen verwirklichen.

Gleichzeitig ermöglicht es eine solche Halle auch, Schüler für handwerkliches Arbeiten zu begeistern. „Als wir ganz klein waren, haben wir uns noch die Hände schmutzig gemacht, ab 13, 14 Jahren war das anders“, fasst Utz Dornberger das Grundproblem zusammen. Er ist Professor an der Universität Leipzig und einer derjenigen, die das Innovationsprojekt in Riesa wissenschaftlich begleiten. Eine offene Werkstatt biete die Möglichkeit, die Arbeit des Handwerks wieder attraktiv zu machen und dessen Bekanntheit zu steigern. Neben relativ gängigen Werkzeugen soll deshalb auch moderne Technik vor Ort verfügbar sein, die eben nicht jeder in seinem Werkzeugkasten findet, etwa 3D-Drucker oder Laser, mit denen sich präzise zuschneiden lässt. Die Hürden, um an den Geräten arbeiten zu können, sollen so niedrig liegen wie möglich. „Wir wollen Schnupperkurse und ein Orientierungsjahr anbieten“, so Dornberger weiter. Das alles unter dem Motto „Talent entdecken und etablieren“.

Ein Standort für diese offene Werkstatt ist schon gefunden, erzählt Jens-Torsten Jacob. Eine Bauhalle nahe der Langen Straße, in der früher ausgebildet wurde und die nun schon länger leer stehe. Die Sprache sei schnell auf das Gebäude gekommen, sagt Jacob. „Wir wussten, die Halle steht leer, außerdem ist sie günstig gelegen.“ Danach ging es offenbar recht unkompliziert: „Wir haben bereits die Zusage des Landrates, dass wir die Halle nutzen können.“ Ein wichtiger Schritt ist damit gemacht – unabhängig vom Ausgang des Wettbewerbs „Wandel durch Innovation“, für den die Initiative ins Leben gerufen wurde. „Ob wir das Geld bekommen, ist eigentlich zweitrangig“, sagt Jens-Torsten Jacob. „Selbst wenn wir in Berlin nicht gewinnen: Das Fab-Lab setzen wir auf jeden Fall um!“

Die Fördermittel des Bildungsministeriums wären freilich eine mehr als willkommene Unterstützung, um die anderen Ideen umzusetzen, die Handwerker, Kreative und Wissenschaftler zusammen ausgetüftelt haben. Eine davon würde gleichzeitig ein lange ungenutztes und dazu noch markantes Gebäude in Gröba beleben: den Komplex an der Rittergutstraße. Die Studienakademie Riesa würde dort nur zu gerne ein Zukunftslabor zum Forschen, Lernen, Wohnen und Arbeiten schaffen, erklärt Direktorin Ute Schröter-Bobsin. Dort könnten Schulungen und Weiterbildungen im weitesten Sinne stattfinden.

Eine Idee ist etwa ein Planspiel für Handwerker. Schon jetzt simulieren Studenten in Planspielen den Aufbau und die Führung von Industrie-Unternehmen. Für Handwerksbetriebe gebe es solche Planspiele bisher nicht, sagt der Riesaer Dozent Andreas Barth. Das könne man ja aber ändern. Die Simulationen jedenfalls träfen den Nerv vieler junger Leute. Unabhängig davon würde damit auch ein leer stehendes Gebäude einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden, sagt Ute Schröter-Bobsin: „Es ist ein tolles Objekt, und es wäre schade, wenn es so leblos dasteht.“ Das sehen auch die städtischen Verantwortlichen und der Eigentümer so. OB Marco Müller und WGR-Chef Roland Ledwa jedenfalls haben signalisiert, der Idee keine Steine in den Weg legen zu wollen – sofern eben die Finanzierung klar sei. Denn noch bleibt die Riesaer Innovations-Akademie lediglich eine interessante Idee. Ob und wie sie finanzierbar sein wird, entscheidet sich erst im kommenden Jahr. Etwas früher soll bereits der Fahrplan für die offene Werkstatt stehen, verspricht Jens-Torsten Jacob. Vielleicht könne man schon Ende Oktober mehr dazu verraten.