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Polizistin kämpft um Lebensunterhalt

20 Jahre war eine 56-Jährige aus der Region Großenhain im Dienste des Freistaates. Der will ihr nun die Fürsorge streichen.

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© Archiv/SZ

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain/Dresden. Die Polizistin, die den Freistaat Sachsen – ihren ehemaligen Dienstherren – verklagt, hatte eine „bemerkenswerte Anzahl“ von Dienstunfällen, wie Richter Rottmann am Dresdner Verwaltungsgericht feststellt. Doch schnell wird klar: Sie war auch immer hart im Einsatz. Vor der Wende hatte sie zwar Agrarwissenschaften studiert, hat mit einer Veterinärgrundbildung auch ihr heute wichtige medizinische Fachbegriffe mitbekommen. Doch dann musste was Neues her, und die Alleinstehende mit zwei Kindern machte eine Ausbildung bei der Polizei. Es war ein harter Reitlehrgang, der ihr 1995 bei der Springausbildung den ersten Unfall mit Knieschaden einbrachte. Da stand ihr neuer Beruf schon fast auf der Kippe. Aber die junge Frau wollte weitermachen. Ein Jahr später dann ein Unfall mit Wirbelsäulenschaden beim Hindernisspringen. Die tieraffine Polizistin wechselte daraufhin zur Diensthundeschule, wo sie unter anderem mit Leichenspürhunden unterwegs war. Als ihr im Jahr 2000 dabei ein Diensthund ins Genick sprang, ging auch dort nichts mehr. Die Frau wechselte erneut – in den Innendienst der Reiterstaffel. Als sie einen Lkw entladen sollte, zerrte sie sich an der Schulter. Der fünfte Dienstunfall passierte 2003 bei einem Pferdetransport.

„Alle Unfälle wurden immer genau protokolliert, doch zwischendrin ließ ich mich nicht krankschreiben“, erklärt die eifrige Polizistin, die in der Region Großenhain als ungemein engagiert bekannt ist. Bis Oktober 2013 war sie in der Pressestelle der Landespolizeidirektion im Einsatz. Dann wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Ein Jahr vorher hatte eine Nachuntersuchung zu ihren Unfällen stattgefunden. Ein Gutachten bescheinigte ihr 40-prozentige Erwerbsminderung. Bis dahin hatte niemand Zweifel an der Rechtmäßigkeit der staatlichen Bezüge für die aus dem Dienst Geschiedene.

Doch was in den 90er Jahren, so Richter Rottmann, schnell anerkannt wurde, stellt der Freistaat heute auf den Prüfstand. Weil die nun privat versicherte Polizistin Kosten für Heilmittel und Behandlungen bei der Polizei-Unfallkasse geltend machte, wurde ein neuer Gutachter an den Fall gesetzt. „Der hat mich nicht mal untersucht“, moniert die Klägerin. Aus den Akten heraus entschied er, dass die Dienstunfälle auskuriert seien. Der Gutachter soll laut der Polizistin, ihres Anwalts und eines Rechtsschutzsekretärs der Polizeigewerkschaft gar einen Unfall in der Kindheit als Ursache heutiger Gesundheitsprobleme herangezogen haben, der nie vorgefallen ist. Sein Fazit: Es gäbe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr. Damit würde die Polizistin alle Unterhaltsleistungen verlieren. Dabei war die Erwerbsminderung der Polizistin alle zwei Jahre überprüft worden.

„Ich bin Beamtin auf Dienstzeit und war damit einverstanden, all das zu akzeptieren, was mein Beruf mit sich bringt“, sagt die Polizistin. Nun erwarte sie, dass auch der Freistaat seinen Teil erfüllt und seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Nicht sie müsse beweisen, dass ihre körperlichen Einschränkungen gar nicht von den Dienstunfällen herrühren. Der Freistaat müsse nachweisen, dass seine früheren Bescheide rechtswidrig wären. Auch Richter Rottmann äußert die Ansicht, dass dieser Beweis nicht erbracht wurde. Da könne auch ein neuerliches Gutachten nicht weiterhelfen. Ein Urteil steht aber noch aus.