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Plötzlich Polizeichef

Warum Horst Kretzschmar vor seiner Ernennung eine schlaflose Nacht hatte, berichtet er an seinem ersten Tag im Dienst.

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© Anja Schneider

Von Alexander Schneider

Dresden/Meißen. Die Personalie an der Spitze der Polizeidirektion Dresden war selbst für hochrangige und gut informierte Beamte eine echte Überraschung. Horst Kretzschmar ist seit April Chef der Polizeidirektion Dresden. An seinem ersten Arbeitstag hat der 56-jährige Polizeipräsident am Freitag berichtet, wie er Anfang März sehr kurzfristig davon erfahren habe.

„Ich saß gerade beim Abendbrot, als Landespolizeipräsident Jürgen Georgie anrief und sagte, ich solle morgen ins Ministerium kommen“, schildert Kretzschmar das kurze Telefonat. Er habe sich gefragt, ob er etwas falsch gemacht habe. Georgie sei zunächst nicht erreichbar gewesen. Ein Anruf im Innenministerium half auch nicht. Der Termin wurde bestätigt, den Grund dafür werde er vom Landespolizeipräsidenten erfahren, hieß es dort, so Kretzschmar. Erst spätabends habe er Georgie nochmal erreicht. Der habe aber nur allgemein von einem „Personalproblem“ gesprochen. „Da macht man sich seine Gedanken“, sagte Kretzschmar.

Er habe gegrübelt und kaum geschlafen. Erst am nächsten Abend, einem Dienstag, habe Kretzschmar erfahren, dass er ab April die Nachfolge von Dieter Kroll als Dresdner Polizeichef antreten soll.

Ursprünglich war Uwe Bornmann als Chef der Dresdner Direktion vorgesehen. Doch nur einen Tag vor Georgies Anruf bei Kretzschmar soll Bornmann jedoch stark alkoholisiert an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen sein. Nach Medienberichten hatte er mehr als 1,8 Promille Alkohol intus. Das war das Ende der Karriere des designierten Polizeichefs.

Horst Kretzschmar ist seit 1978 Polizist, ein erfahrener Einsatzbeamter. Anfang der 90er-Jahre gehörte er dem Aufbaustab der Bereitschaftspolizei Sachsen an, und entwickelte das Spezialeinsatzkommando (SEK). Zwölf Jahre leitete er die Einheit. „Es war eine prägende Erfahrung“, so Kretzschmar, „nach der Wende mit der wachsenden Gewaltkriminalität zurechtzukommen“.

Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 war er Einsatzleiter im Austragungsort Leipzig, danach führte er die Dresdner Bereitschaftspolizei und hat schließlich von 2010 bis 2014 als stellvertretender Direktionsleiter der Dresdner Polizei auch an der Spitze des Führungsstabs gestanden. Der Mann weiß also, worauf er sich nun eingelassen hat.

Eigentlich sei er davon ausgegangen, dass er als Chef der sächsischen Bereitschaftspolizei, der er seit 2015 war, auch in Pension gehen werde. Der Posten „in der Landeshauptstadt ist etwas Besonderes“, sagte der 56-Jährige. Eine Herausforderung sei die nach wie vor hohe Anzahl an Versammlungen in Dresden, bei denen Sicherheit eine große Rolle spiele. Kretzschmar sagte, dass die Personalsituation der Polizei noch für etwa drei Jahre angespannt bleibe.

So lange werde es dauern, bis zusätzliche Beamte auf der Straße zur Verfügung stünden. „Es tut gut, dass der Stellenabbau gestoppt wurde“, sagte er. „Etwa 1 000 Beamte mehr für Sachsens Polizei ist der richtige Weg.“ Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Stellen vor allem die Reviere und die Kriminalpolizeiinspektion auffrischen und verstärken – „für die Grundversorgung der Bevölkerung“.

Zur Absicherung von Demonstrationen sei die Personaldecke auch weiterhin angespannt. „Wir gehen schon sehr auf Lücke“, so Kretzschmar. Bei Demos müsse man sich auf das Kerngeschehen, die Trennung gegnerischer Lager, konzentrieren. Kretzschmar bedauerte, dass sich zunehmend Lager mit stark polarisierenden Meinungen gegenüberstünden. Aufgabe der Polizei bleibe es, den Teilnehmern das Grundrecht der freien Meinungsäußerung zu ermöglichen – solange sie sich friedlich und ohne Waffen versammelten. Er habe viel von seinem Vorgänger Dieter Kroll, vor allem von dessen analytischem Geschick, gelernt, sagte Kretzschmar.

Terrorismus bezeichnete er als weiterhin „abstrakte Gefahr“ für Sachsen. Dresden sehe er im Vergleich zu anderen Großstädten wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt oder Köln weniger als Symbol für terroristische Anschläge. Gleichwohl sei es eine Herausforderung an die Beamten, eine terroristische Lage schnell erkennen und entsprechend handeln zu können. Ein Höhepunkt in diesem Jahr sei die Feier zum Tag der Deutschen Einheit vom 1. bis 3. Oktober dieses Jahres. Ein Stab von derzeit etwa zehn Beamten bereite schon jetzt die Einsätze vor.

Doch schon am Montag steht ein größerer Polizeieinsatz an. Während Pegida erstmals am Wiener Platz demonstrieren wird, seien auch Demonstrationen im Bereich der geplanten Asylbewerberunterkunft im ehemaligen Hotel Prinz Eugen in Laubegast angekündigt. „Wir sind gut vorbereitet und werden in angemessener Zahl dazwischen stehen“, sagte Kretzschmar.