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Plastikfreie Grillparty

Die EU will zahlreiche Kunststoff-Produkte verbieten. Gibt es ein Leben ohne sie? Ein Selbstversuch.

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© Uwe Soeder

Von Jens Fritzsche

Bautzen. Hätte die EU nicht wenigstens bis nach der Grill-Saison warten können? Müssen wir jetzt wirklich durchweichende Pappteller oder Porzellan mit zur Grillparty in die Gärten schleppen? Die EU drohte jedenfalls an, künftig eine Art Straf-Abgabe zu verhängen, wenn künftig nach wie vor so viel Plastikmüll anfällt wie bisher. Und das Thema Grillen steht dabei ganz oben auf der Kritik-Liste, zumindest das Zubehör: Plastikbesteck, Teller und Trinkhalme.

Wobei man den Argumenten ja auch durchaus recht geben muss: Durch die Weltmeere wabern mittlerweile fast 140 Millionen Tonnen Plastikmüll. Und der kommt quasi per – oder besser gesagt im – Fisch zurück auch auf deutsche Teller. Egal ob aus Porzellan oder Pappe.

Trinkröhrchen als Problemfall

Wir starten also zumindest mal den Versuch, beim Einkauf für die Grillparty im Landkreis hier und da ohne Plastik auszukommen. Und beginnen am besten mit den Dingen, die die EU demnächst als Erstes verbieten will, weil es plastikfreie Alternativen gibt: Dazu gehören neben Trinkhalmen und Plastikbesteck und -geschirr übrigens auch Wattestäbchen. Also geht es zunächst mal in einen Drogeriemarkt: die Rossmann-Filiale in der Bischofswerdaer Lessingstraße. Und tatsächlich, hier steht für saubere Ohren die Alternative neben dem Herkömmlichen: Wattestäbchen aus 100 Prozent Baumwolle und festgewickeltem abbaubaren Papier statt der Plastikstäbchen.

Gut, ein bisschen tiefer muss der Kunde dafür ins Portemonnaie greifen: das 200 Stück-Set der Rossmann-Eigenmarke kostet 99 Cent; das Altbekannte aus Plastik 35 Cent. Aber das ist machbar. Und die Trinkhalme? Angeblich werden in allen 28 EU-Staaten zusammen 26,4 Milliarden davon verkauft. Jedes Jahr! „Uns liegen bereits Angebote vor, die jedoch in qualitativer und preislicher Hinsicht noch nicht zufriedenstellend sind“, sagt Nadine Leineweber von der Rossmann-Presseabteilung über umweltfreundliche Halm-Alternativen. Zumindest gibt es schon jetzt mehrfach verwendbare Trinkröhrchen. So ganz könne ein Drogeriemarkt allerdings nicht auf Plastik verzichten, räumt Nadine Leinweber ein. Wie solle man beispielsweise Zahnpasta anders verpacken?

Pappteller im WM-Design

Aber wir wollten uns ja eigentlich vor allem ums Thema Grillen kümmern – und Alternativen zu Plastikgeschirr und -besteck suchen. Auch die gibt es in den meisten Supermärkten. Im Kaufland an der Willy-Muhle-Straße in Kamenz zum Beispiel. Dort sind aktuell sogar passend zur anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft Pappteller im bunten Fußball-Design zu finden. 99 Cent kostet das Aktionsangebot „WM“ im Achter-Pack.

Beim Besteck muss vorerst auf Metall umgestiegen werden – gut, ein bisschen schwerer als Plastik, aber dafür natürlich auch nach der Grillsaison noch zu gebrauchen. Das Sechser-Set für 9.99 Euro ist dabei preislich durchaus annehmbar. Außerdem helfen wir so, den jährlichen Plastikmüllberg in Europa zu verringern. Immerhin türmen sich jedes Jahr aufs Neue EU-weit 26 Tonnen, heißt es aus Brüssel. Nur ein Drittel davon werde recycelt. Der Rest? Landet in der Natur? Im Landkreis Bautzen kommt zumindest ein Teil davon in die Müllverbrennung in Lauta.

An dieser Stelle noch ein Wort zum Grillfleisch. Denn nicht in jedem Supermarkt muss man unbedingt auf in Plastik eingeschweißte Bratwürste und Steaks setzen. Auch das dürfte die EU-Kommission freuen. Im Edeka-Markt von John Scheller in Radeberg zum Beispiel wartet eine Frische-Theke für Wurst, Fleisch, Käse und Fisch. „Das wird von den Kunden sehr gern angenommen“, freut sich der Radeberger Edeka-Chef. Trotzdem: Nicht alles, was ökologisch sinnvoll ist, kommt auch gut an. Auch diese Erfahrung hat er schon machen müssen. „Wir haben zum Beispiel eine Biotüte fürs Gemüse ins Sortiment genommen, die sich ökologisch abbaut – aber das stieß nicht auf Interesse.“ Wohl auch, weil die Kunden für diese Tüten hätten bezahlen müssen, statt wie bisher zu den kostenlosen durchsichtigen Gemüse-Tüten aus Plastik zu greifen.

Würden EU-Experten übrigens jetzt gleich neben uns am Regal stehen, hätten sie sicher folgende erschreckende Zahl parat: Landet eine solche kleine dünne Plastiktüte im Meer, sorgt sie über 500 Jahre lang für kleine Plastikpartikel im Wasser … „Natürlich könnte man Obst und Gemüse auch in Papiertüten packen – aber wer will schon, dass dann die Kassierin an der Kasse in den Tüten wühlt, um zu schauen, was drin ist“, beschreibt John Scheller, warum auch das keine Alternative ist. Zudem: Manches, was ökologisch sinnvoll ist, darf letztlich auch nicht umgesetzt werden. Dass Kunden zum Beispiel eigene Gefäße mitbringen, sei nicht in jedem Fall mit den Hygiene-Vorschriften zu vereinbaren, stellt der Edeka-Chef klar. „Vor allem lose Ware dürfen wir nicht in mitgebrachte Behältnisse unserer Kunden abfüllen – Salate beispielsweise.“ Denn sollte es im Ernstfall zum Streit über mögliche Hygieneprobleme kommen, lässt sich eben nicht mehr nachweisen, ob das Problem von der Ware ausging oder dem nicht ganz sauber ausgewaschenen Gefäß.

Besteck aus Palmblättern

Und wie gehen eigentlich Catering-Profis mit dem Thema Plastik um? „Wir versuchen, weitgehend auf Plastikgeschirr zu verzichten“, sagt zum Beispiel Kathleen Waurick von Wauricks-Cateringwelten in Radibor. „Aber bei Stadtfesten wird aus Sicherheitsgründen meist ausdrücklich Plastik gewünscht“, fügt sie an. Wobei es mittlerweile durchaus Alternativen gibt, die zunehmend ins Blickfeld rücken: „Besteck aus stabilen Palmblättern zum Beispiel.“

Also unabhängig der angedrohten Straf-Abgaben oder Plastikprodukt-Verbote durch die EU-Kommission: Es zeigt sich jedenfalls, dass schon jetzt im Landkreis Bautzen umweltfreundliche Grillpartys ohne Plastik ganz gut funktionieren können. Und sie sind außerdem noch nicht mal allzu viel teurer.