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Pirnas neues Sommerloch

An der Breiten Straße taucht ein weiterer Brunnen auf. Ihm bleibt das Schicksal seines Bruders auf der Dohnaischen Straße erspart.

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© Daniel Schäfer

Von Thomas Möckel

Pirna. Nicht ganz auf den Tag genau vor zwei Jahren entdeckten Bauarbeiter auf der Dohnaischen Straße einen alten Brunnen, er lag am Rande, direkt vor dem Geschäft Bijou Brigitte. Der Schacht war gut erhalten, er maß im Durchmesser 1,30 Meter, war etwa sechs Meter tief, am Grund stand noch Wasser. Archäologen datierten die Herkunft des Wasserspeichers auf das 13 Jahrhundert, sie vermaßen und fotografierten ihn für die Nachwelt, denn bald schon war nichts mehr von ihm zu sehen. Nur sechs Stunden nach der Entdeckung ließ Pirna den Schacht mit einer zähflüssigen Pampe verfüllen. Heute erinnern nur noch ein Sandsteinring im Boden und eine Erklärtafel an den Brunnen. Seit einem reichlichen halben Jahr wogt nun ein Streit darüber, ob der Schacht wieder freigelegt werden soll. Und mitten in diesem Zwist kommt nun neue Kunde aus dem Untergrund – wenn auch an anderer Stelle.

Claudia Schmidt von der Pirnaer Denkmalschutzbehörde leuchtet den Brunnen an der Breiten Straße aus. Bauleute hatten den Schacht aus dem 17. Jahrhundert in dieser Woche entdeckt. Hinten links die graue Ecke ist der Lieferzugang zum Bio-Supermarkt, an der
Claudia Schmidt von der Pirnaer Denkmalschutzbehörde leuchtet den Brunnen an der Breiten Straße aus. Bauleute hatten den Schacht aus dem 17. Jahrhundert in dieser Woche entdeckt. Hinten links die graue Ecke ist der Lieferzugang zum Bio-Supermarkt, an der © Daniel Schäfer

Handwerker stießen am vergangenen Mittwoch gegen 11 Uhr auf einen Schacht, hinter dem Haus Breite Straße 8, gleich neben der Einfahrt zum Netto-Parkplatz. Die Arbeiter waren gerade dabei, die Grundmauern des Gebäudes sowie des Anbaus für den Bio-Supermarkt „Vorwerk Podemus“ freizulegen, um sie abzudichten, als sie den Brunnen fanden. In einer Schnell-Beschau beschrieben Experten des Landesamtes für Archäologie den Schacht als sensationell gut erhalten, er misst im Durchmesser 80 Zentimeter, ist gut drei Meter tief, gesetzt aus behauenem Sandstein, exakt im Radius des Brunnens gearbeitet. Der Schacht diente damals offenbar als Wasserreservoir für ein Wohnhaus oder eine Häuserzeile an der Breiten Straße, die auf einem Canaletto-Gemälde, etwa von 1750 zu sehen ist. Hier, damals weit außerhalb der Kernstadt, waren die Menschen darauf angewiesen, sich selbst mit Wasser zu versorgen, ein zentrales Wassersystem gab es zu dieser Zeit nur in der Altstadt.

Nächste Woche kommen die Archäologen wieder, dann wollen sie den Wasserspender genau begutachten, vermessen, fotografieren, kartografieren. Ungemach droht dem Schacht bis dahin nicht. Dass ihm ein ähnliches Schicksal widerfährt wie seinem großen Bruder auf der Dohnaischen Straße, muss er nicht fürchten.

Ab und an Sicht im Schacht

Die Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna (SEP), die die Häuserzeile Breite Straße 4 bis 8 sanieren lässt und der auch das Grundstück gehört, will den Schacht in seiner ursprünglichen Form der Nachwelt erhalten. Man versuche, sagt SEP-Chef Christian Flörke, den Brunnen auf Dauer sichtbar zu machen. Auf das historische Sandstein-Rund soll später ein Betonring aufgemauert werden, so hoch, wie später das Geländeniveau an dieser Stelle sein wird. Der Unterschied zwischen alt und neu, sagt Flörke, soll deutlich erkennbar sein, das hatten auch schon die Archäologen befürwortet. Oben schließen soll den Brunnen ein historisch anmutender Deckel, der beispielsweise zu solchen Anlässen wie dem Tag des offenen Denkmals abgenommen werden kann, damit Neugierige einen Blick in den Schacht werfen können. Wie der Deckel aussehen soll, steht noch nicht genau fest, Flörke schwebt eine gusseiserne Variante vor, möglichst mit Pirnaer Stadtwappen in der Mitte. Zu holprig darf die Oberfläche nicht sein, denn der Brunnen liegt an einer ziemlich kniffligen Stelle.

Dort, wo der Schacht ist, wird in Kürze die Laderampe für den Bio-Supermarkt stehen, Lkws docken dort rückwärts an, Hubwagen transportieren Paletten mit Waren in den Laden. Ebenso befindet sich an dieser Stelle der Hauseingang für sämtliche elf Wohnungen dieser Häuserzeile. So muss die Abdeckung des Brunnens möglichst stolper- und rutschfrei sein, eine Glasplatte schied daher als Deckel aus.

Lange will die SEP mit dem Brunnenprojekt nicht mehr warten, in den nächsten Tagen und Wochen geht es los. Der Bio-Supermarkt öffnet am 16. August, vorher muss noch die Ware rein, also muss bis dahin die Laderampe einschließlich eines eben abschließenden Brunnendeckels fertig sein. Ungefähr 5 000 Euro, sagt Flörke, werde es kosten, den Brunnen auf die geplante Weise zu erhalten.

Am Rande der Schacht-Besichtigung ging derweil der alte Brunnenstreit weiter, Freilegungs-Befürworter warfen Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke vor, dass es die Stadt versäumt habe, bei dem Brunnen auf der Dohnaischen Straße ähnlich zu verfahren. Hanke begründete die Verfüllung mit dem eher ungünstigen Standort: auf öffentlichem Grund, unter einer Straße, direkt vor einem Geschäft. Aber hier, auf Privatgrund, sagt der Rathauschef, entscheide einzig die SEP als Eigentümer, was aus dem Brunnen werde. „Und ich denke, wir haben eine gute Lösung gefunden“, sagt Flörke.

Aber auch für den Brunnenkollegen auf der Dohnaischen Straße hat noch nicht endgültig das letzte Stündlein geschlagen: Eine Arbeitsgruppe soll ergründen, ob der Schacht nicht doch noch, zumindest ein bisschen, sichtbar gemacht werden kann.