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Pilgerstätte nach tödlichem Unfall

Die Identität des in Neueibau getöteten Rasers ist noch unklar. In Hörnitz war der Fahrer womöglich langsamer als gedacht.

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© Markus van Appeldorn

Von Markus van Appeldorn

Die Stätte des Gedenkens ist übersät mit Glassplittern. Und aus einem Schutthaufen daneben ragt noch eine abgerissene Autotür. Dort in Neueibau, wo am Freitagmorgen ein schwerer BMW eine Bushaltestelle durchschlug, haben Menschen Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. Sie gelten dem bei dem Unfall getöteten Raser. „Das ist hier in den letzten Tagen zu einer Pilgerstätte für den ganzen Landkreis geworden“, sagt der Besitzer der Garage, an deren gemauerter Ecke der Todesunfall endete. Er ist schon leicht genervt von dem dauernden Auflauf. „Dass Freunde von dem Fahrer hierher kommen und um ihn trauern, das kann ich ja verstehen, das ist ok. Aber da kommen ja manche von sonst wo her, um sich das hier anzuschauen.“

Die Garage ist einsturzgefährdet. Zahlreiche Stahlstützen schützen die Seitenwände vor dem Kollaps. Betreten und nutzen kann der Besitzer die Garage nicht. „Aber das ist alles nicht so dramatisch, den Schaden wird die Versicherung zahlen“, sagt der Mann. Er wolle jetzt vornehmlich, dass Ruhe einkehrt. Am Montag brachte ein Monteur auch die Beschilderung der Bushaltestelle wieder an, die bei dem Unfall 50 Meter weit weggeschleudert und zerstört wurde.

Derweil sind die Ermittlungen der Polizei zum Unfallhergang und zur Identität des bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Fahrers vorangeschritten. Klar ist, es war kein Autodieb, der hier am frühen Freitagmorgen mit mörderischem Tempo auf der Flucht war. „Das Auto war nicht gestohlen“, sagt Thomas Knaup, Pressesprecher der Polizeidirektion Görlitz auf SZ-Anfrage. Das Unfallauto mit Görlitzer Kennzeichen war auf eine Frau zugelassen. „Die Halterin lebt“, informiert Knaup. Nach SZ-Recherchen handelt es sich bei der Halterin um eine Frau aus Leutersdorf, die nicht weit entfernt von der Unfallstelle wohnt. Die Identität des getöteten Fahrers ist aber laut Polizei noch nicht eindeutig geklärt. „Wir haben 90-prozentige Gewissheit“, sagt Knaup, „aber wir brauchen natürlich eine 100-prozentige.“ Raserei verdichtet sich als Unfallursache. „Offenbar ist das Fahrzeug mit sehr hoher Geschwindigkeit dort hineingeprallt“, sagt Pressesprecher Knaup.

Und natürlich kursiert ein Name des Unfallfahrers durch Neueibau. Und was die Menschen über diesen 22 Jahre jungen Mann sagen, ist nicht schmeichelhaft. „Was man so hört, war er oft mit hohem Tempo unterwegs. Im Auto oder auf dem Motorrad“, sagt ein Nachbar der Unfallstelle. Einige klagen darüber, dass an dieser Stelle viele Fahrer rasen würden. „Die sind mir schon viermal in meinen Gartenzaun gefahren“, sagt Anwohnerin Elisabetha Mickel. Ihr mittlerweile verstorbener Mann habe sogar mal einen Antrag bei der Polizei und der Verkehrsbehörde gestellt, den Abschnitt zu entschärfen. „Das wurde aber damals abgelehnt. Die Behörden haben gesagt, dafür sei hier zu wenig Verkehr“, sagt die Seniorin.

Der Polizei jedenfalls ist die Hauptstraße in Neueibau nicht als Raserschwerpunkt bekannt. Polizeisprecher Thomas Knaup verweist aber auf die täglichen Geschwindigkeitskontrollen. „Wir sind da. Und das kann für den ein oder anderen sehr teuer werden“, sagt er. Immer wieder erwische man auch Autofahrer, die mit voller Absicht rasen. Er warnt Raser auch vor existenziellen Folgen. „Ohne Führerschein ist es hier auf dem Land schnell mal Essig mit dem Arbeitsplatz und so“, sagt Knaup. Es gebe aber immer Menschen, die sich partout nicht an Verkehrsregeln halten. „Manche lernen nur durch den Geldbeutel“, sagt er.

Nach dem Todesunfall in Neueibau ereignete sich in der Nacht zum Sonntag ein ähnlicher Unfall in Hörnitz – allerdings nicht mit solch dramatischen Folgen. Ein 21-Jähriger hob mit seinem Mazda von der Straße ab und krachte in 1,50 Meter Höhe in eine Garage. Der Fahrer wurde schwer verletzt, die Garage nahezu zerstört. Ursache auch hier: Raserei. Die Tachonadel blieb beim Crash bei Tempo 110 stehen. Hier seien Ursache und Unfallablauf aber im Wesentlichen geklärt, informiert Polizeipressesprecher Thomas Knaup. „Der Verursacher ist bekannt. Es war eine Fahrt unter Alkoholeinfluss.“

Allerdings lasse die Tatsache, dass die Tachonadel bei 110 stehenblieb, nicht den Schluss zu, dass der Mann tatsächlich so schnell gefahren ist. „Wenn ein Autofahrer mit seinem Fahrzeug abhebt, krallt er sich instinktiv am Lenkrad fest“, sagt Knaup. Auch die Füße suchen Halt. „Man tritt auf irgendetwas, meistens auf das Gaspedal“, erklärt der er das Phänomen solcher Unfälle. Die frei in der Luft drehenden Räder beschleunigen, so könne das vom Tacho angezeigte Tempo höher als das gefahrene sein.