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Pfarrer gibt Fest in jüngere Hände

Ludwig Ammer hatte vor 15 Jahren die Idee, die Görlitzer Vielfalt zu feiern. Nun zieht er sich aus der Organisation zurück.

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© Nikolai Schmidt

Von Ines Eifler

Görlitz. Wenn der Görlitzer Pfarrer Ludwig Ammer um sich schaut, kann er zufrieden und glücklich sein. Mitten im Trubel des Fests der Kulturen unserer Welt am vergangenen Sonntag kommen ein paar syrische Kinder auf ihn zugestürmt und bitten um einen Stempel für Äthiopien in ihre Weltreisepässe. An die zehn Länder stehen da schon drin. Ludwig Ammer stempelt und sagt: „Klar, das gilt trotzdem“, als die Jungen fragen, warum die Buchstaben auf dem Kopf stehen. Ein Mädchen aus Kuba möchte ein Glas Wasser. Der Pfarrer betätigt die Pumpe des Trinkwasserspenders, der symbolisch für sauberes Wasser in Äthiopien wirbt. Polnische, russische, vietnamesische Familien ziehen vorüber und grüßen. Zwei Enkel des Pfarrers kommen ihn an seinem Stand besuchen. Menschen aus 17 Nationen steigen auf die Bühne, als ein Erinnerungsfoto gemacht werden soll. Das Stimmengewirr auf dem Festgelände im Stadtpark ist so vielfältig wie nie zuvor. Ludwig Ammers Idee ist aufgegangen.

Ein Fest der Kulturen in Görlitz zu feiern, dazu gab der langjährige Direktor des Diakonischen Werkes und Provinzialpfarrer für Diakonie und missionarische Dienste vor 15 Jahren den Anstoß. Anfang der 2000er Jahre besuchte ihn ein befreundeter Kollege aus dem kanadischen Edmundston und erzählte ihm, diese Kleinstadt feiere regelmäßig ein Fest, an dem alle dort lebenden Nationen mit Ständen, Musik, Aktionen und Speisen von ihrer Herkunft, ihrer Kultur, ihren Traditionen erzählen. „Mir gefiel diese Idee“, sagt Ludwig Ammer, „so etwas hätte ich gern auch in Görlitz gesehen.“ Deshalb suchte er in seinem Ruhestand nach Wegen, ein solches Fest aus der Evangelischen Innenstadtgemeinde heraus mit Partnern zu organisieren.

2004 gewann er die Landeszentrale für politische Bildung als Träger des ersten Görlitzer Festes der Kulturen auf dem Marienplatz und in der Neiße-Galerie. Später übernahm „Tierra eine Welt“ die Trägerschaft. Die Volkshochschule und die Ausländerbeauftragte sind von Beginn an wichtige Partner. Über das Berliner Missionswerk gewann Ludwig Ammer jedes Jahr internationale Gäste, die beim Gottesdienst in der Frauenkirche predigten und von ihrem Land erzählten. Mehrmals gestalteten Pfarrer aus afrikanischen Ländern den Gottesdienst mit, bei anderen Festen Pfarrer aus Deutschland, die auf anderen Kontinenten missionarisch arbeiteten.

In den ersten Jahren suchten die Veranstalter öfter nach Mitstreitern für das Fest und wünschten sich mehr Beteiligung der in Görlitz lebenden Ausländer. Seit ab 2014 vermehrt Flüchtlinge in die Stadt kamen und sich das Willkommensbündnis beim Fest einbringt, klagt über mangelnde Beteiligung keiner mehr. „Heute haben wir eher den Eindruck, dass weniger Deutsche kommen als früher“, sagt Ludwig Ammer.

15 Jahre lang hat er das Fest als Vertreter der Evangelischen Innenstadtgemeinde mitorganisiert und erlebt, wie es vom Marienplatz auf die Elisabethstraße und weiter in den Stadtpark zog. In wenigen Monaten feiert Ludwig Ammer seinen 81. Geburtstag. „Auch deshalb ist es Zeit, dass nun Jüngere die Verantwortung übernehmen.“ Dafür hat er schon einen jungen Pfarrer im Sinn, der die Hauptorganisatorinnen Laure Teillet und Isabell Hinrichsen unterstützen könnte. Aber da das noch nicht spruchreif ist, möchte er nicht vorgreifen.

Ganz aus dem Fest heraushalten wird sich Ludwig Ammer vermutlich ohnehin nicht. Ideen für einen internationalen Gast beim Festgottesdienst im Jahr 2019 hat er jedenfalls schon. „Und wenn ich weiter gebraucht werde, bin ich natürlich da.“