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Paracetamol für Ministerpräsidenten

Michael Kretschmer startet in Hochkirch die erste digitale Rezeptsammelstelle. Projekt-Partner ist eine Löbauer Apotheke.

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© Steffen Unger

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Am Computerbildschirm von Andrea Bethmann in der Alten Apotheke am Löbauer Altmarkt klingelt es. Eine Meldung der „Call my Apo“-Software. Mit einem Klick auf die Meldung erscheint ein Rezept auf dem Bildschirm. Dieses eine Mal darf man ausnahmsweise sagen, auf wen es ausgestellt ist: Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Andrea Bethmann sucht eine Packung Paracetamol, gibt sie in eine kleine Papiertüte und heftet einen Kassenbon daran. Nur Minuten später sitzt sie im Arzneimittel-Express der Apotheke und ist unterwegs nach Hochkirch.

Nur 15 Minuten später lieferte Andrea Bethmann von der Alten Apotheke in Löbau ihm das testweise bestellte Paracetamol aus.
Nur 15 Minuten später lieferte Andrea Bethmann von der Alten Apotheke in Löbau ihm das testweise bestellte Paracetamol aus. © www.rafa-sampedro.de
Das Pilotprojekt läuft über sechs Monate.
Das Pilotprojekt läuft über sechs Monate. © www.rafa-sampedro.de

Im Foyer der Volksbank-Filiale an der B 6 trifft sie auf einen erstaunten Ministerpräsidenten und überreicht ihm seine Lieferung. „Was, so schnell geht das?“, fragt Michael Kretschmer. Nur rund 15 Minuten vorher hatte er hier die erste digitale Rezeptsammelstelle in Sachsen eröffnet und gleich als Erster ein Rezept auf die digitale Reise geschickt – freilich kein echtes, sondern ein Test-Rezept. „Ich bin beeindruckt, was es alles gibt“, sagte Kretschmer, der den Standort tatsächlich gut kennt. „Sonst bin ich hier immer allein mit dem Geldautomaten. Wenn ich auf dem Weg nach Dresden oder nach Hause bin, mache ich hier oft einen Stopp, um Geld zu ziehen“, erzählte Kretschmer.

Die digitale Rezeptsammelstelle in Hochkirch ist ein zunächst auf ein halbes Jahr ausgelegtes Pilotprojekt. Sie ersetzt die bisherige Rezeptsammelstelle. Um die Versorgung des ländlichen Raums mit Arzneimitteln zu verbessern, gibt es sachsenweit 120 solcher Sammelstellen in Orten, die mindestens sechs Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt sind. Von Hochkirch zur nächsten Apotheke nach Löbau sind es zehn Kilometer. Die Menschen aus Hochkirch und den umliegenden Orten konnten bisher ihre Rezepte in einen Briefkasten bei einem Arzt einwerfen. Der wurde von der Alten Apotheke in Löbau regelmäßig geleert. Die Patienten wurden dann mit den Medikamenten beliefert.

Die digitale Rezeptsammelstelle beschleunigt dieses Verfahren. Einem Geldautomaten ähnlich, schiebt man das Rezept in einen Schlitz. Das Gerät scannt das Rezept. Der Patient kann noch über ein Tastenfeld weitere Dinge in der Apotheke bestellen oder Angaben zu gewünschtem Ort und Zeit der Lieferung machen. Mit einem Klick schickt der Automat die Daten verschlüsselt an die Apotheke. Dann klingelt es bei Andrea Bethmann am Computer. Thomas Dittrich, Vorstandsvorsitzender des Sächsischen Apothekerverbandes, lobte die Innovation bei der Eröffnung: „Die digitale Rezeptsammelstelle ist schneller, einfacher, nachvollziehbarer als die analoge Lösung. Und sie spart der Apotheke Zeit und Wege.“ Die digitale Rezeptsammelstelle sei etwas, das den Menschen auf dem Land direkt nutzt. „Wir brauchen weniger digitalen Aktionismus. Richtig eingesetzt bringt uns die moderne Technologie viel mehr“, so Dittrich.

Wichtig war es, für die digitale Rezeptsammelstelle die richtigen Partner zu finden. Man braucht für den Automaten einen überdachten und sicheren Raum, der zudem 24 Stunden zugänglich sein muss. Als in Hochkirch ohnehin bekannter Anlaufpunkt bot die Volksbank das Foyer ihrer Filiale an. Die Alte Apotheke in Löbau, die bereits die analoge Rezeptsammelstelle betreute, erklärte sich bereit, auch die nötige Software zu installieren. „Wir wollen auch über digitale Medien Kundenbindung herstellen“, erklärt die Löbauer Apothekerin Birgit Schleicher dazu.

Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer lobte den nützlichen Einsatz der digitalen Technologie. „Wir müssen das Konkrete und Machbare in Angriff nehmen“, sagt er. Die digitale Rezeptsammelstelle werde jetzt sicher nicht die digitale Revolution auslösen. „Aber wir lernen aus diesem Pilotprojekt“, so Kretschmer. Zum Beispiel zum Datenschutz. Früher sei es undenkbar gewesen, mit Rezepten außerhalb einer Apotheke umzugehen. Schließlich handelt es sich dabei um sensible Daten. Im ländlichen Raum aber seien Einrichtungen oft nur dann wirtschaftlich tragbar, wenn an einem Ort viele Geschäfte und Menschen zusammenkommen.

Und Ministerpräsident Michael Kretschmer möchte die Digitalisierung im Gesundheitswesen noch forcieren – zum Nutzen der Patienten. „Wir lernen aus dem Projekt auch, dass man es künftig digital noch einfacher haben könnte“, sagte er. Noch müsse der Arzt ja ein Rezeptformular ausstellen, also eine Urkunde. „Vielleicht ist es ja bald möglich, dass der Patient sein Rezept digital mitbekommt, auf einem USB-Stick oder etwas Ähnlichem“, sagte er. Dann könne der Patient direkt dieses digitale Rezept an die Apotheke schicken. Und tatsächlich, an dieser Idee wird bereits gearbeitet. „Wir sind gerade dabei, ein E-Rezept zu entwickeln“, erklärte Chef-Apotheker Thomas Dittrich bei der Eröffnung.