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Offener Brief an Katharina Schulze

17,5 Prozent für die Grünen. In Bayern. Das freut Spitzenkandidatin Katharina Schulze. Die Politikerin ist immer gut drauf. Das ist man von ihren Kollegen gar nicht mehr gewohnt.

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© dpa

Liebe Katharina Schulze!

Servus, war das eine Gaudi! Do legst di nieda: 17,5 Prozent für die Grünen. In Bayern. Dort, wo sogar die Frösche schwarz sind. Am Wahlabend vor einer Woche haben Sie mit der Herbstsonne um die Wette gestrahlt. Erst dachte ich, Sie haben irgendwelche Glückspillen geschluckt. Aber inzwischen weiß ich: Sie sind immer so gut drauf. Auch im Wahlkampf haben Sie dauernd bis über beide Ohren gelächelt und gegrinst und gelacht. Das ist man von Politikern gar nicht mehr gewohnt. Die SPD zum Beispiel kann sich bald umbenennen in Sorgenfalten-Partei Deutschlands. Angela Merkel reist von einem Krisengipfel zum nächsten und muss ihre Mundwinkel mit viel Anstrengung nach oben ziehen. Alice Weidel von der AfD wirkt immer, als würde sie jeden Moment vor Wut platzen. Ich weiß gar nicht, wann ich zuletzt einen Politiker gesehen habe, der lacht.

Und jetzt kommen Sie. Jung, frech, fröhlich, grün. Dabei hatte man auch bei Ihrer Partei lange den Eindruck, dass Joschka Fischers Stirnrunzeln nie wieder weggeht. Die fröhliche Stimmung der 80er, als man noch im Bundestag bunte Pullis strickte, war doch längst futsch. Die Grünen waren das schlechte Gewissen der Nation geworden. Doch Sie haben es geschafft, das negative Image wieder nach vorne zu drehen: Hurra zu Europa! Hurra zur Natur! Und, ja mei, freilich auch Hurra zu Bayern! Und Hurra zur Macht! Es war ja kaum zu fassen, wie Sie sich gleich nach den ersten Hochrechnungen noch dem Söder Markus an den Hals geworfen haben.

Wissen Sie, was ich glaube? Wir müssen nach dieser Bayern-Wahl die politischen Lager ganz neu denken. Es geht nicht mehr um Links oder Rechts, Schwarz oder Grün, West oder Ost, Alt oder Jung. Das können wir alles vergessen. Nein, der Riss, der durch Deutschland geht, liegt ganz woanders. Die Gesellschaft zerfällt eindeutig in zwei Teile, nämlich in die Gutgelaunten und die Schlechtgelaunten. Ja, Sie lachen! Aber ich meine es ernst, und es geht quer durch alle Schichten, schauen Sie sich nur mal um. Es gibt schlecht gelaunte Reiche und gut gelaunte Arme. Gut gelaunte Ossis und schlecht gelaunte Wessis. Schlecht gelaunte Jugendliche und gut gelaunte Rentner. Und das alles natürlich auch umgekehrt.

Und genau hier – davon bin ich fest überzeugt – werden die Wähler von morgen ihre Entscheidung treffen. Die einen wählen jene, die besonders schlecht gelaunt sind. Hier konkurrieren zurzeit vor allem SPD und AfD um die meisten Stimmen. Die anderen wollen eine Partei der guten Laune wählen. Und da es die bislang sonst nirgends so richtig gibt, sind jetzt die Grünen auf einmal überall so erfolgreich. In Umfragen bundesweit mit bis zu 19 Prozent schon auf Platz zwei! Meine These erklärt auch, warum die Wähler in letzter Zeit so unberechenbar sind. Ich zum Beispiel hatte heute Morgen eine Stinklaune, jetzt im Moment bin ich gerade ganz supi drauf. Das wird nicht einfach für die Demokratie. Aber es bleibt spannend. Pack ma’s!

Ihr Marcus Thielking

Der Offene Brief ist eine Rubrik im Wochenendmagazin der Sächsischen Zeitung